
10 Jahre nach dem Anschlag von Utøya: „Viele haben das Gefühl, vergessen zu werden“
Frankfurter Rundschau
Wie geht es den Überlebenden von Utøya? Zwei, die mit dem Leben davonkamen, erzählen von ihrem Kampf gegen dunkle Erinnerungen und Anfeindungen im Netz
Utøya - Miriam Einangshaug ging an Leichen vorbei, bevor sie am 22. Juli 2011 Utøya verließ. Ihre Freundinnen und Freunde von der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF lagen mit weißen Tüchern bedeckt entlang eines Pfades zum Bootssteg der Insel. Sicherheitskräfte umringten Anders Behring Breivik in seiner falschen Polizeiuniform einige Meter vom Steg entfernt. Miriam Einangshaug, damals 16 Jahre alt, sah den Mörder nur dieses eine Mal auf der Insel, nachdem sie zuvor nur das Stampfen seiner Stiefel gehört hatte. Nach den ersten Schüssen rannte sie mit anderen Jugendlichen durch den Wald zu einem Gebäude mit Schlafräumen. „Wir haben ein paar von den Betten vor die Fenster gestellt und waren dabei, unter die anderen zu kriechen, als wir seine Schritte vor der Tür hörten.“ Der Attentäter ging vor den Schlafräumen auf und ab. Er suchte nach einer Lücke, durch die er seine Kugeln feuern konnte. Dann hörte Miriam einen Knall. Er klang, als würde etwas in ihrem Kopf explodieren. „Das Geräusch war so laut, es hat sich angefühlt, als hätte er mich getroffen.“ Breivik schoss durch die Wand. Die Kugel muss direkt über Miriams Kopf eingeschlagen sein. Ihre Erinnerung setzt erst wieder ein, als sie unter einem der Betten und nicht mehr auf dem Boden in der Schusslinie lag. Jemand muss sie von dort weggezogen haben. Sie tippte im Dunkeln auf ihrem Handy eine Textnachricht an ihre Eltern: „Ich liebe euch.“ Das nächste Bild, das vor ihrem inneren Auge erscheint, ist das von norwegischen Polizisten, die den Schlafraum stürmten. Wieder waren es Männer mit einer Waffe in der Hand. „In dem Moment war ich mir sicher, jetzt werde ich sterben.“More Related News