
10 Jahre danach: RTL Reporterin Anna Hohns erinnert sich an die Anschläge von Oslo und Utoya
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Vor zehn Jahren erschoss der rechtsradikale Terrorist Anders Behring Breivik auf der Insel Utoya 69 Menschen.
Von Anna Hohns Wer von Oslo mit dem Auto in Richtung Utoya fährt, sieht zunächst einmal eine wenig spektakuläre Landschaft. Denn hat man die vielen hübschen, kleinen Boote und Badestellen am Fjordufer der norwegischen Hauptstadt erst mal hinter sich gelassen, müht man sich gut 30 Kilometer über grauen Autobahn-Asphalt und durch viele Baustellen, bis man einen Tunnel passiert und es einem kurz den Atem verschlägt, weil man sich plötzlich in einer anderen Welt wiederfindet. Ich erinnere mich noch gut an diesen Moment vor zehn Jahren, als ich das erste Mal auf dem Weg nach Utoya war. Zwei Tage zuvor hatte ein rechtsradikaler Terrorist auf der Insel 69 Menschen erschossen. Ich fuhr also durch diesen Tunnel und konnte nicht fassen, wie schön der Ausblick war, der sich mir da bot. Unten vor mir der Tyrifjord, ein riesiger, dunkelblau schimmernder See, umrahmt von Bergen, mittendrin mehrere kleinere Inseln. "Ich glaub nicht, dass wir hier richtig sind," sagte ich zu meiner Kamerafrau, "wahrscheinlich hab ich das falsch ins Navi eingegeben." Dass an einem so schönen Ort so etwas Schreckliches passiert sein sollte, passte für mich überhaupt nicht zusammen. Doch dann kamen uns auf der anderen Straßenseite im Schritttempo Leichenwagen entgegen, eine Kolonne, mindestens zehn. Da wusste ich, dass Utoya nicht mehr weit entfernt sein konnte. Knapp drei Monate später bekamen wir als Journalisten zum ersten Mal die Möglichkeit, die Insel zu besuchen. An Tatorten zu sein, von dort zu berichten, gehört zu unserem Beruf dazu. Aber obwohl ich an solche Situationen gewöhnt bin, fühlte es sich das erste Mal auf Utoya anders an: Als mein Kameramann und ich für unsere Berichterstattung über die Insel gingen, hatte ich plötzlich das Gefühl zu stören. Fast so, als ob ich über einen Friedhof laufen und dabei versehentlich auf Gräber treten würde. Ich weiß natürlich, wie wichtig es ist, als Reporterin vor Ort zu sein, sich selbst ein Bild zu machen, um das Geschehene besser einzuordnen. Aber die schiere Zahl an Betroffenen überwältigte mich, die Brutalität, mit der Terrorist Anders Behring Breivik vorgegangen war. 564 Camp-Teilnehmer mussten um ihr Leben bangen, 69 von ihnen starben, 33 wurden verletzt. Vielleicht hatte genau dort, wo ich jetzt stand, jemand seine letzten Minuten verbringen müssen, schutzlos und in Todesangst. Die meisten Camp-Teilnehmer hatten nur zwei Möglichkeiten: Sich zu verstecken und zu hoffen, dass der Attentäter sie nicht findet oder zu schwimmen, 600 Meter bis zum rettenden Ufer auf dem Festland, in 14 Grad kaltem Wasser. Wozu hätte ich mich entschieden?More Related News