
„Zombi-Parlament“: Britische Abgeordnete Dorries wirft hin – und pöbelt gegen den Premier
Frankfurter Rundschau
Konservative Abgeordnete Nadine Dorries gibt ihr Mandat ab und beschimpft Premier Sunak als blutleer und frei von Visionen.
London – Eigentlich wollte sie schon längst „Tschüss“ gesagt haben – das macht sie jetzt zwar, aber unter lautem Türenknallen: Die konservative Unterhaus-Abgeordnete Nadine Dorries hat ihren Rücktritt eingereicht und gleichzeitig den britischen Regierungschef Rishi Sunak übel beleidigt. Bereits im Juni 2023 hatte sie eigentlich schon zurücktreten und ihrem Idol Boris Johnson folgen wollen. Während Johnson aber seinen Sitz als Abgeordneter geräumt hatte, blieb Dorries vorerst an ihrem Mandat kleben, das sie seit fast 20 Jahren innehatte. In ihrem Wahlkreis wurde dafür reine Geldgier vermutet.
In einem Schreiben in sozialen Medien geht sie jetzt aber den aktuellen Premier frontal an: „Seit Ihrem Amtsantritt vor einem Jahr wird das Land geführt von einem Zombie-Parlament, in dem nichts von Bedeutung passiert“, schreibt sie. Und setzt nach: Sie vermisse bedeutende politische Visionen, an denen sich die Briten aufrichten könnten. Den Grund ihres Brandbriefes sehen britische Medien darin, dass ihr der Adelstitel verweigert wird und damit ein lebenslanger Sitz im britischen Oberhaus, dem House of Lords; dafür hatte sie Ex-Premier Boris Johnson vorgeschlagen.
Allerdings hat alles einen weit ernsteren Hintergrund: den schwärenden Konflikt innerhalb der konservativen Partei zwischen Anhängern Johnsons und Sunaks um die Deutungshoheit über konservative Politik. Als Dorries im Juni ihren Schritt angekündigt hatte, war Premier Sunak von Labour verlacht worden. Er sei zu schwach, um mit dem Verbleib Dorries‘ den Wählern in Mid-Bedfordshire zu beweisen, dass die Konservativen sie ernst nähmen.
Die konservative Partei zerfleischt sich weiter. Dorries‘ Schritt zum Rücktritt könnte für Sunak und seine Partei katastrophal ausgehen, hatte doch Nadine Dorries ihren mittelenglischem Wahlkreis Mid-Bedfordshire zu einer Trutzburg der Konservativen ausgebaut. Und die beiden im Sommer 2023 verlorenen konservativen Wahlkreise Selby and Ainsty, in North Yorkshire, haben den Tories bewiesen, dass auch ihre angestammten Festungen inzwischen von der Labour-Partei geschleift werden können.
Eine Nachwahl könnte also einen weiteren Wahlkreis kosten. Als wäre die Kritik an konservativer Politik noch nicht genug, gilt der Protest der Wahlberechtigten jetzt auch eher charakterlichen Eigenschaften der 66-Jährigen – die werfen ihrer Abgeordneten unterdurchschnittlich entwickelten Arbeitseifer vor; und das mit einem für die Briten typischen Hang zum Wortwitz.Als „Dosser Dorries“ verunglimpfen sie sie auf mehreren selbstgepinselten Bannern in ihrem Wahlkreis Mid-Bedfordshire. „Faulenzer“ lautet die freundliche deutsche Übersetzung von „Dosser“; „Penner“ die umgangssprachliche. Das sei alles Teil einer groß angelegten Kampagne durch Rishi Sunak, vermutet Dorries, die ihm unterstellt, er hetze die Öffentlichkeit gegen sie auf; der Grund für ihren Rücktritt liege auch darin, dass sie um ihre persönliche Sicherheit fürchte.