„Wir sind alle deutsche Juden“ (ARD): Eine persönliche, politische Reise Daniel Cohn-Bendits
Frankfurter Rundschau
Daniel Cohn-Bendit ergründet in diesem Dokumentarfilm in der ARD, in welchem Verhältnis er zum Judentum steht.
Zu Beginn seiner Suche nach der eigenen jüdischen Identität bewegt sich Daniel Cohn-Bendit in der ARD-Dokumentation „Wir sind alle deutsche Juden“ mit seinem Bruder Gaby durch die französische Stadt Moissac. Hier war Gaby, der ältere der beiden Brüder, von den Eltern während der deutschen Besatzung bei einer französischen Familie versteckt worden. Dem ehemaligen Grünen-Politiker Cohn-Bendit, geboren 1945, war dieses Schicksal durch die späte Geburt erspart geblieben und vielleicht liegt darin der Grund für die Diskrepanz in den Sichtweisen der beiden Brüder begründet.
Gaby, der sich in frühester Kindheit vor den deutschen Soldaten verstellen musste, um nicht als Jude erkannt zu werden und so gezwungenermaßen ein Spiel mit der eigenen Identität kennenlernte, wehrt sich gegen fixe Zuschreibungen. Wie politischen Strömungen, denen man einmal angehört hatte und von denen man sich abwandte, solle man auch das eigene Jüdisch-sein verstehen. Daniel Cohn-Bendit widerspricht dieser Idee der völligen Selbstbestimmung der Identität und macht sich auf, zu ergründen, in welchem Verhältnis er selbst zum Judentum steht.
Der Film von Niko Apel nimmt dabei die Form einer persönlichen Reportage an, die Cohn-Bendit auf seiner Reise folgt. Diese führt ihn zuerst in die eigene Vergangenheit. Im Jahr 1968 war Cohn-Bendit, dessen Familie während des Nationalsozialismus aus Deutschland nach Frankreich geflüchtet war, im Zuge der Studentenproteste von den französischen Behörden ausgewiesen worden. Mit der Parole „Wir sind alle deutsche Juden“ hatten sich daraufhin Tausende in Paris mit ihm solidarisiert, auch wenn sich Cohn-Bendit laut eigener Aussage selbst nicht als Jude definiert hatte.