„Wie aus der Zeit gefallen“: Experten üben teils harsche Kritik an EZB-Zinsentscheidung
Frankfurter Rundschau
Die EZB hält trotz steigender Inflation an ihrer Nullzinsstrategie fest. Experten bewerten die Entscheidung kritisch.
Frankfurt - Trotz der zu Jahresbeginn weiter gestiegenen Inflation* bleibt eine Zinswende in der Euro-Zone aus. Die Europäische Zentralbank beließ den geldpolitischen Schlüsselsatz am Donnerstag auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Zugleich müssen Finanzinstitute weiterhin Strafzinsen berappen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken. Den dafür gültigen sogenannten Einlagesatz beließen die Währungshüter bei minus 0,5 Prozent.
Experten sagten dazu in ersten Reaktionen:
„Corona nimmt als Risiko für die Wirtschaft im Euro-Raum ab und wird von der hohen Inflation verdrängt. Lagardes Ansage zur Inflation heute: Wir werden aufmerksam bleiben! Dazu die Ausführungen zur Frage, ob ihr Versprechen weiterhin gilt, dass es dieses Jahr sehr wahrscheinlich keine Zinserhöhungen geben werde. Lagarde schränkte es soweit ein, dass dies von den Daten abhänge, überstürzen wolle man nichts. Man muss dennoch konstatieren, dass der Supertanker EZB langsam seinen Kurs ändert. Vielleicht auch, um nicht den Anschluss an den Konvoi der anderen Notenbanken zu verlieren.“
„Die Inflation hat die EZB-Prognosen auch zum Jahresbeginn bei weitem übertroffen. Trotzdem verharrt die Europäische Zentralbank weiter in ihrer Warteposition. Die Geldpolitik bleibt unangemessen expansiv. Das Risiko, dass die EZB noch in diesem Jahr abrupt umsteuern muss, steigt erheblich. Dabei ist inzwischen an den Finanzmärkten eine Leitzinserhöhung noch in diesem Jahr eingepreist. Dass die EZB dennoch ihre Position aus dem vergangenen Jahr unverändert beibehält, wird die Investoren weiter irritieren.“
„Ein erster Schritt auf dem Weg zum Ausstieg aus den Negativzinsen wäre eine Erhöhung des Freibetrages auf die Überschussliquidität der Banken. Der Hinweis auf eine ‚sorgfältige Prüfung‘ dieser Option reicht nicht aus. Während der Pandemie ist die Überschussliquidität im Euro-Raum sprunghaft angestiegen. Die Banken im Euro-Raum zahlen derzeit auf ein Jahr hochgerechnet etwa 17,7 Milliarden Euro an Negativzinsen an die EZB.“