„Wenn die Taliban kommen, bringen sie uns zuerst um“
RTL
Neun Jahre lange unterstützte er die Bundeswehr in Afghanistan, jetzt muss er um sein Leben fürchten. Deutschland überlässt seine Helfer dem Tod
Neun Jahre lange unterstützte Ahmad Jawid Sultani die Bundeswehr in Afghanistan. Er arbeitete für sie als Übersetzer, half im Camp und begleitete die Soldaten an die Front. Jetzt muss der 31-Jährige um sein Leben fürchten. Die Bundeswehr ist weg, die Taliban stehen vor der Tür und zurück bleiben die verzweifelten Helfer und Übersetzer. Wenn die Taliban kommen, so sagen sie, werden sie als erstes umgebracht. Die Bundesregierung lässt ihre Helfer im Stich, dabei klangen die Ankündigungen so hoffnungsvoll. Ahmad Jawid Sultani sitzt in seinem Haus in Masar-i-Scharif, sein Refugium, wie er sagt. Es ist das Einzige, was ihm im Moment Schutz bietet, nachdem Deutschland es nicht getan hat. Eigentlich hatte er gehofft, hierher kommen zu können. Von 2009 bis 2018 arbeitete er für die Truppe. Er glaubte an die westlichen Werte, wollte der Bundeswehr helfen. Doch jetzt ist er verbittert und hat Angst um sein Leben. "Ich habe die Hoffnung verloren. Alle meine Kollegen hier in Masar-i-Scharif verlieren die Hoffnung", sagt er. Die Taliban sehen in ihm einen Verräter, einen Spion. Diesen Stempel hat er auf der Stirn, sagt Sultani. Noch Mitte April sprach Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer von der "tiefen Verpflichtung" Deutschlands, "diese Menschen nicht schutzlos zurückzulassen." Und erst Mitte Juni hatte die Bundesregierung die Zweijahresregel gekippt, nach der nur Ortskräfte kommen durften, die in den letzten zwei Jahren für die Truppe gearbeitet haben. Ein Hoffnungsschimmer für Sultani. Zügig und unbürokratisch sollte die Aufnahme der Ortskräfte laufen, parallel zum Abzug der deutschen Truppen. Das forderten zumindest Ex-Diplomaten, Wissenschaftler und Militärs in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Doch von unbürokratisch kann keine Rede sein: Die Helfer müssen einen Gefährdungsantrag stellen, der wird geprüft, dann kann ein Visum beantragt werden. Doch das Büro dafür liegt in Kabul, 500 Kilometer von Masar-i-Scharif entfernt. 500 Kilometer durch Taliban-Land. Unmöglich also für Sultani, dort einen Antrag zu stellen. "Jetzt gerade sehe ich keine Chance, von hier zu fliehen", sagt er. Die Zugangsstraßen sind blockiert, Kämpfe toben außerhalb der Stadt. "Auch Kabul wird nicht sicher bleiben. Schon bald wird es auch dort sehr gefährlich." Eigentlich sollte es auch in Masar-i-Scharif ein Büro für die Ortskräfte geben, doch die Eröffnung wurde kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben. Zu gefährlich sei die Situation vor Ort, heißt es. Für die Helfer vor Ort klingt das wie der blanke Hohn.More Related News