„Viele Menschen sind mit Kriegsbeginn in eine Art Schockstarre geraten“
Die Welt
Ukraine-Krieg, Pandemie, Klimawandel – die Deutschen erleben derzeit eine kafkaeske Krisenpermanenz, sagt der Psychologe Stephan Grünewald vom Kölner Rheingold-Institut. Die Folge sei ein Rückzug aus Resignation. Wann kommt das Land da wieder heraus?
WELT: Herr Grünewald, das Rheingold-Institut befragt die Deutschen in regelmäßigen Abständen nach ihren Gefühlslagen. Wie geht es dem Patienten nach zwei Jahren Pandemie und einem Monat Krieg in der Ukraine?
Stephan Grünewald: Vor Kriegseintritt haben wir festgestellt, dass die meisten Menschen in Deutschland in einer resignativen Grundstimmung sind. Sie haben das Gefühl, dass sie zwei Jahre lang alles versucht haben – und dann hat die nächste Welle wieder alles über den Haufen geworfen. Ein Gefühl der Ausweg- und Perspektivlosigkeit hat sich breitgemacht. Man hat sich in einer Art Enttäuschungsprophylaxe eingerichtet, große Wünsche und Pläne wurden vorsorglich gekappt, um nicht erneut enttäuscht zu werden.