„The King of Laughter“ und „Illusions perdues“: Jäger und Sammlerinnen
Frankfurter Rundschau
Selten war die Suche nach lohnenden Filmen beim Festival in Venedig derart einfach – Wettbewerbsbeiträge aus der Ukraine, Italien und Frankreich.
Nach zwei Dritteln Festival kann auch ein chronisch überbuchtes Ticketsystem seinen Schrecken verlieren. Filmkritiker und Kritikerinnen sind Jäger und Sammler und stören sich offensichtlich nicht allzu sehr daran, zu allen Tages- und Nachtzeiten auf den Moment zu lauern, wo eine retournierte Karte wieder im Online-System auftaucht. Für die Lücken, die sich dennoch im Programm auftun, entschädigt der Lidostrand wenige Tage vor dem Ende der Badesaison. Auch ein venezianischer Freund ist dort unter die Sammler gegangen und erklärt mir, wie man die lebendigen Muscheln im Schalenmeer aufspürt, die er für seine abendlichen Spaghetti Vongole braucht. Sie graben sich senkrecht in den Sand, doch es nützt ihnen wenig. „Macht ihr Kritiker nicht das gleiche?“ – „Richtig, erst finden wir die Guten, und dann bringen wir sie um.“ Aber Scherz beiseite: Selten war ein Filmfestival so arm an Fehlgriffen. Auch der problematische ukrainische Wettbewerbsbeitrag „Reflection“ rechtfertigte nicht das Buhkonzert am Ende der Pressevorführung. Der Filmkünstler Valentyn Vasyanovych (vor zwei Jahren gewann er hier die Orrizonte-Sektion mit „Atlantis“) ist bekannt für lange, statische Einstellungen. Diesmal zählte ein Branchenblatt ganze 29 Bildwechsel in 125 Minuten. Die Unbeirrbarkeit des Filmstils korrespondiert im tragischen Höhepunkt mit der Gnadenlosigkeit einer Folterszene. Ein Arzt hat sich von seinem Schwiegersohn überreden lassen, ihn in die besetzte Krim zu begleiten. Als ihn die Folterknechte an den Ort ihres Verbrechens führen – ein ehemaliges Zentrum für zeitgenössische Kunst – ist dem Mann schon nicht mehr zu helfen.More Related News