
„Tag X“-Demos in Leipzig: Staatsanwalt vermummt im Einsatz
Frankfurter Rundschau
Ein Staatsanwalt war bei den „Tag X“-Demos nach dem Urteil gegen Lina E. im Einsatz. Der Beamte vermummte sich wohl zu seinem eigenen Schutz.
Leipzig – Ein Staatsanwalt mitten unter linken Demonstranten - aber nicht, um zu demonstrieren: Knapp drei Wochen nach den „Tag X“-Protesten von Anhängern der linken Szene in Leipzig hat ein Staatsanwalt öffentliche Aufmerksamkeit erregt, weil bekannt wurde, dass er während der Ausschreitungen vermummt im Einsatz war. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig sagte am Donnerstag (22. Juni 2023), sein Kollege sei im Einsatz gewesen, um über Maßnahmen für festgesetzte Demonstrierende zu entscheiden. Er sei vermummt vor Ort gewesen und dabei von einer ebenfalls vermummten Kriminalbeamtin begleitet worden, nachdem die Demonstration offiziell durch die Polizei beendet worden sei.
Wie es zu der Vermummung kam, klärte der Kollege ebenfalls auf: Bei der Demo habe sich der Staatsanwalt „persönlich dazu entschieden, die Vermummung zu tragen“. Dabei sei es um seinen eigenen Schutz gegangen. Medienberichten zufolge war der Staatsanwalt in der Vergangenheit bedroht worden. Während der Demonstration am sogenannten „Tag X“ im Süden Leipzigs hatte die Polizei die Demonstrierenden dazu aufgerufen, ihre Vermummungen abzulegen. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.
Dass der Staatsanwalt vor Ort war, bestreitet das Amt nicht. Doch Behauptungen, der Staatsanwalt sei schon zuvor und angeblich sogar vermummt in der Versammlung gewesen, „sind falsch und entbehren jeglicher tatsächlichen Grundlage“, erklärte die Staatsanwaltschaft am Nachmittag. Der Staatsanwalt sei erst um 19.30 Uhr eingetroffen. Dass er und die ihn begleitende Kriminalbeamtin ihre Gesichter zum Eigenschutz verhüllt hätten, sei zulässig und auch nötig, wie die mit der Namensnennung des Juristen durch einen Medienvertreter ausgelöste Debatte in sozialen Netzwerken zeige. Auch ein Foto und der mutmaßliche Wohnort des Mannes würden verbreitet.
Kritik von der Behörde gab es an der persönlichen Bloßstellung von Staatsanwälten und die Unterstellung strafrechtlich relevanten Verhaltens in der Öffentlichkeit „ohne jede eigene Prüfung“. So hieß es von Oberstaatsanwältin Claudia Laube, „ein derartiges Handeln ist nicht hinnehmbar.“ Das gelte insbesondere, wenn durch nicht mehr beherrschbare fortlaufenden Kommentierung eine Gefährdungslage nicht mehr auszuschließen sei.
Die Demonstrationen am ersten Juni-Wochenende waren eine Reaktion auf das Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. wegen linksextremistischer Gewalttaten vor dem Oberlandesgericht in Dresden. Am Samstag nach Verkündung des Urteils waren Polizisten in Leipzig mit Steinen und Böllern angegriffen worden. Mehr als 1000 Demonstrierende wurden in einem Polizeikessel festgehalten, darunter auch Minderjährige. Von Parteien und Organisationen war das Verhalten der Polizei scharf kritisiert worden. (cgsc mit dpa)