„Sozial isoliert“: Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind besonders einsam
Frankfurter Rundschau
Einsamkeit trifft in Deutschland mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund, als ohne. Eine Psychologin erklärt, warum das so ist.
Wir leben in einer „Epidemie der Einsamkeit“ – so formulierte es einmal die YouTuberin Mina Le. Es sind besonders die jungen Menschen in unserer Gesellschaft, die dieses Gefühl verstärkt haben. Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge fühlt sich knapp die Hälfte (46 Prozent) der 16- bis 30-Jährigen einsam, elf Prozent davon stark einsam. Die Aktionswoche mit dem Titel „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, die noch bis zum 23. Juni geht, macht auf das Problem aufmerksam.Ein Jugendlicher, der einsam ist, hat mit anderen Herausforderungen zu kämpfen, als ein Erwachsener, der schon viele Erfahrungen mit dem Gefühl gemacht hat, erklärt Mareike Ernst BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Sie forscht zum Thema Einsamkeit und hat ein Buch darüber geschrieben. „Junge Menschen schämen sich besonders dafür, dass sie sich einsam fühlen. Sie beziehen das negativ auf sich, statt gelassener zu sagen: Das ist nur ein vorübergehendes Gefühl“, sagt sie.
Die Bertelsmann-Studie zeigt: Nicht alle jungen Menschen trifft Einsamkeit gleich stark. Wer zum Beispiel arbeitslos ist oder einen niedrigen Schulabschluss hat, ist demnach einsamer. Ein weiterer signifikanter Faktor ist die Herkunft: Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind eher einsam, als junge Menschen ohne Migrationshintergrund. Bei der repräsentativen Befragung wurden im März 2532 junge Menschen befragt. Bei den jungen Menschen mit Migrationshintergrund gaben 55 Prozent an, einsam zu sein und bei den jungen Menschen, die keinen haben, nur 40 Prozent. Stark einsam fühlten sich 13 Prozent der jungen Menschen mit Migrationshintergrund, 8 Prozent ohne. Nicht die Herkunft an sich löst die Einsamkeit aus – sondern Diskriminierungserfahrungen, die Jugendliche und junge Erwachsene machen. „Wenn Menschen Rassismus und Ausgrenzung erleben, fühlen sie sich nicht zugehörig. Solche Ablehnungserfahrungen steigern Gefühle von Einsamkeit. Außerdem können sie dazu führen, dass man sich mehr zurückzieht und sozial isoliert, und auch das ist ein Risikofaktor“, sagt Ernst BuzzFeed News Deutschland.
Für die Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ sind bundesweit verschiedene Veranstaltungen geplant. Aktionen gegen Einsamkeit seien wichtig, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus den Zeitungen der Funke-Medien zum Auftakt. „Wir wissen längst, dass Vereinsamung so schädlich ist für Betroffene wie etwa Rauchen, Fettleibigkeit oder Luftverschmutzung.“ Psychische Erkrankungen stehen häufig im Zusammenhang mit Einsamkeit. Jeder zweite Mensch mit Depressionen fühlt sich nach einer Befragung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe aus dem Jahr 2023 einsam. Die Bundesregierung hatte Ende 2023 eine Strategie gegen Einsamkeit beschlossen. Die mehr als 100 Maßnahmen sollten dazu beitragen, die Gesellschaft zu sensibilisieren, Hilfe anzubieten und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu fördern, sagte Paus am Montag (17. Juni). „Gerade was den Kampf gegen Einsamkeit bei Jüngeren angeht, stehen wir vor einer großen Aufgabe.“ (Mit Material der dpa)