„Pest und Cholera“ – Baerbock über die Diplomatie im Ukraine-Krieg
Frankfurter Rundschau
Bei Anne Will in der ARD zum Thema Ukraine-Krieg diskutieren die Gäste über die Frage, ob es Kreml-Chef Putin auch auf andere Staaten abgesehen hat.
Zehn Tage herrscht Krieg im Herzen Europas und die Frage, die sich vielen stellt, lautet: „Wie weit wird Putin gehen?“ Das war auch das Thema bei Anne Will (ARD) am Sonntagabend, wo die Sorge war, dass Putin keine Grenzen kennt.
Aus Berlin zugeschaltet war Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen, die vor ein paar Tagen noch in New York die Solidarität der Weltgemeinschaft als unantastbar bezeichnete, sich aber dennoch deutlich gegen eine von der NATO durchgesetzte Flugverbotszone aussprach. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert dies vehement, völlig ignorierend, dass dies praktisch unweigerlich in einen Krieg des Westens gegen Russland führen würde. „Das sind die Momente in der Außenpolitik, in der man nur zwischen Pest und Cholera wählen kann“, sagte Baerbock bei Anne Will in der ARD dazu. Waffenlieferungen, Sanktionen, viel mehr kann die NATO, kann der Westen momentan nicht tun, will er nicht einen Dritten Weltkrieg provozieren.
Zu der Forderung der Ukraine, dass Deutschland Kampfflugzeuge in die Ukraine liefern soll, wies Baerbock auf den interessanten Fakt hin, dass die Ukraine mit westlichen Flugzeugen wenig anfangen kann, da ihre Piloten auf russischem Gerät ausgebildet sind. Zwiespälte, die Baerbock mit sich überschlagender Stimme deutlich zu machen suchte. Die Sanktionen kosten auch die deutsche Wirtschaft viel, die Benzinpreise steigen täglich, wer mit Gas heizt wird, hoffen, dass der Frühling bald kommt.
Die eigentliche Diskussion verlief dann etwas ruhiger – auch wenn Andrij Jaroslawowytsch Melnyk, Botschafter der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland, bei Anne Will in der ARD auf die Gefahr hinwies, dass Wladimir Putin sich nicht mit der Ukraine begnügen wird. Doch wird der Autokrat von Russland tatsächlich das Risiko eingehen, in NATO-Länder einzumarschieren?
„Trauen Sie ihm zu“, fragte Anne Will Annalena Baerbock, „dass er uns angreift?“ Die Antwort der Außenministerin: „Die letzten zehn Tage haben gezeigt, dass es offenbar keine roten Linien gibt.“ Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag der FDP, stimmte Baerbock zu und warnte vor einer zu offensiven Involvierung der NATO. Hier einen Konflikt zu riskieren wäre unverantwortlich, die Hilfe muss auf andere Weise kommen. Das wollte der Botschafter nicht hören, der geradezu apokalyptisch davon sprach, dass Putin keine Grenzen kenne und der Untergang Europas quasi kurz bevor stünde.