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„Open Books“ in Frankfurt: Macht und Ohnmacht von Romanfiguren
Frankfurter Rundschau
Fragen nach der Identität und nach der Mutter bei der Eröffnung des Lesefests „Open Books“, unter anderem mit Buchpreisgewinnerin Antje Rávik Strubel.
Ist Antje Rávik Strubel immer noch erschüttert? Ja, schon, aber schön erschüttert, auf die Art, auf die man erschüttert sein will als Mensch. Die Trägerin des Deutschen Buchpreises gab zur Eröffnung der großen Lesereihe „Open Books“ im abgezirkelt luftig besetzten Saal der Deutschen Nationalbibliothek also geduldig Auskunft über die „Blaue Frau“. Nützlich für Leserinnen und Leser ihr Hinweis, dass die präzise Topografie ihrer die Dinge durchaus zum Schweben bringenden Romane ihr Boden unter die Füße gebe (denn nach Boden unter den Füßen suchen die Leserinnen und Leser womöglich auch).
So habe sie ihre Hauptfigur Adina praktisch aus ihrem frühen Episodenroman „Unter Schnee“ heraus in ihre, Strubels temporäre finnische Wohnung „verpflanzt“, um zu sehen, was dort passiere. Nicht viele werden sich an die alte, damals sehr junge, zwölfjährige Adina erinnern. Sie selbst, erzählte Strubel, sei überrascht gewesen, wie kurz der Abschnitt war, den sie ihr im Buch gewidmet hatte. Nun habe sie sich an Adina herangeschrieben, auch ohne schon genau zu wissen, was ihr in der Zwischenzeit widerfahren sei (eine Vergewaltigung, die im Roman tatsächlich lange verkapselt bleibt).
Aufschlussreich auch ihr Gespräch mit Wiebke Porombka über die Figur von Adinas sensiblem und doch gegenüber dem Trauma seiner Freundin merkwürdig ignorantem Liebhaber Leonides, mit dem Strubel, so Porombka, doch sehr nachsichtig umgehe. Das spiegelte sich nachher im Gespräch zwischen Sasha Marianne Salzmann und Cécile Schortmann wider, die die Vaterfiguren in „Alles im Menschen muss herrlich sein“ etwas „blass“ fand. Salzmann erzählte dagegen von den Mühen, gerade diese Figuren liebevoll zu zeichnen.