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„Nö“ von Dietrich Brüggemann im Kino: Filmische Hausapotheke
Frankfurter Rundschau
Dietrich Brüggemanns Beziehungskiste „Nö“ ist das im deutschen Kino seltene Beispiel einer experimentellen Komödie.
Es kommt nicht oft vor, dass deutsche Filme auf bedeutenden ausländischen Festivals Hauptpreise gewinnen. Man glaubte Dietrich Brüggemann seine Überraschung, als er im vergangenen Monat den Regiepreis im tschechischen Karlovy Vary erhielt. Schließlich lebt auch dieses Beziehungs-, Familien-, ja Ganz-Lebens-Drama wie die meisten seiner Filme ganz entscheidend von zwei Dingen, die angeblich ungerne außer Landes reisen: Sprache und Humor.
Die formale Beschränkung auf 15 in Plansequenzen aufgelöste Szenen gibt dem Spiel mit Worten erst recht eine Bühne. Das fängt schon an mit dem viel zu selten in der Schriftsprache genutzten Zwei-Buchstaben-Wort des Titels. „Nö“ ist die Antwort der von Anna Brüggemann gespielten Dina auf den Vorschlag ihres Freundes Michael (Alexander Khuon), es mal mit Trennung zu versuchen. In der letzten Szene wird sich dieser Dialog noch einmal in umgekehrter Richtung wiederholen. Aber frei nach Wolfgang Borchert gibt es in lebensbedrohlichen Situationen eben nur eins: „Sag Nö!“
Zwischen den Szenen der Paarbeziehung, die jeweils durch lange Zeiträume getrennt sind, zieht das Leben auch andere Register. Ein herrisch-patriarchischer Vater (Wolfgang Zischler) verabschiedet sich ungnädig aus dem Leben, und ein Patient auf dem Operationstisch (Rüdiger Vogler) redet Doktor Michael ins Gewissen. Was für ein verschmitzter Coup die beiden Hauptdarsteller aus Wim Wenders’ vielleicht bestem Film noch einmal zusammen zu besetzen, wenn auch in getrennten Szenen. So projiziert man beim Zuschauen unwillkürlich dessen Titel auch auf dieses Werk: „Im Lauf der Zeit“.