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„Metropolis“ in der Alten Oper: Warum reden wir eigentlich so viel?
Frankfurter Rundschau
Fritz Langs „Metropolis“ mit Georg Huppertz’ Musik in der Alten Oper Frankfurt.
Wilde, nein, natürlich blendend geordnete Aufbruchstimmung in der Alten Oper Frankfurt. Mit ihrem Programm, das ohne weiträumige Reisetätigkeit und große Menschenansammlungen auf der Bühne nicht machbar ist, wurde sie doppelt und dreifach von der Pandemie getroffen. Nun aber läutet das Festival Fratopia bessere Zeiten ein. Man muss das Konzept insofern nicht nachvollziehen können. Die Hauptsache ist, dass sich das HR-Sinfonieorchester auf der Bühne knäueln kann und auf der Riesenleinwand Fritz Langs „Metropolis“ zu sehen ist, dies in der restaurierten und seriös nach dem Stand der technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten zusammengestellten Fassung von 2010 (als die Alte Oper schon einer der Orte der Wiederuraufführung war).
Selbstverständlich knäuelt sich das HR-Sinfonieorchester auch nicht, es sitzt diszipliniert beieinander. Der Spezialist Frank Strobel – der zum Restaurationsteam gehörte – führt es geschmackssicher durch Gottfried Huppertz’ große Filmmusik. Das ist – jenseits der Wiederholungen, die sich ein eigenständiges Werk nicht erlauben könnte – Musik im Wagnerformat mit Leitmotiven und Atmowechseln, im schrekerisch spätromantischen Stil und mit Zitaten, die schon zuvor die klassische Musik an Leben und Tod angeschlossen haben: hier die Marseillaise für die aufgebrachten Arbeiter, dort das Dies Irae für den aufgeweckten Tod, wobei die fabelhaft ausgebreitete Apokalypse ad hoc in ein läppisches Happyend mündet. Mit dem Sinnspruch „Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein“ ist das Klassenproblem in der Tat nicht zu lösen, aber das wird großen Teilen des Publikums ganz angenehm gewesen sein. Uns womöglich auch. Ist doch schön.
Schön übrigens auch als Kommentar zum in dieser Hinsicht unfreundlicher gelagerten „Öl!“ im nahen Schauspielhaus, Upton Sinclairs Roman erschien mit durchaus anderem Ansinnen 1927, im selben Jahr wie Langs Film. Wenn sich Heinrich George als frischgebackener Arbeiterführer und Alfred Abel als Oberkapitalist am Ende die Hände reichen, wirkt „Metropolis“ wie eine Satire auf Sinclairs Aufruf, den Klassenunterschieden mehr als einen schlaffen Seitenblick zuzuwenden. Jung-Bunny, das Kapitalistensöhnchen in „Öl!“, vermittelt immerhin eine Vorstellung davon, wie weit es mit dem nagelneuen Gerechtigkeitssinn von Jung-Freder, dem Kapitalistensöhnchen in „Metropolis“, her sein mag.