„Mein Leben steht nicht zum Verkauf“
Die Welt
Thomas Brasch ist eine Legende der deutschen Literatur. Rebell in der DDR, Star in der Bundesrepublik, dann verstummt. Der Kinofilm „Lieber Thomas“ erzählt nun sein Leben. Es ist die Erinnerung nicht nur an einen einzelnen Toten, sondern an eine poetische Existenzform, die es heute nicht mehr gibt.
In einer Welt, in der nicht alle Menschen frei sind, kann der Freie oft nur auf Kosten anderer frei sein. Den ersten Unfreien stürzt der spätere Schriftsteller und Staatsfeind der DDR Thomas Brasch schon als Elfjähriger ins Verderben. Ein Kamerad auf der Kadettenanstalt hatte Brasch angeschwärzt, weil er bei den Wettbewerben der Jungen nicht mitmache. Als der Denunziant dann aber nicht in der Lage war, den Denunzierten zu schlagen, wie vom NVA-Aufseher verlangt, wurde er selbst zum Opfer. Die übrigen Jungen pinkelten ihm in Mund und Gesicht, während er fixiert da lag. Er hat später versucht, sich selbst zu töten.
Die Autofahrt zur Kadettenanstalt, in die Horst Brasch seinen elfjährigen Sohn Thomas vier Jahre lang zur Ausbildung schickt, um ihm etwas militärischen Schliff zu verpassen, wird vom Regisseur Andreas Kleinert und dem Drehbuchautor Thomas Wendrich als Idylle zwischen den beiden inszeniert. Es bleibt die letzte liebevolle Szene zwischen diesen beiden Sturköpfen, deren Antagonismus den Film über weite Strecken prägt – so sehr, dass der Alte (obwohl zu diesem Zeitpunkt noch lebend) dem Sohn als spöttischer Geist erscheint, als dieser sich am Abend eines seiner größten Triumphe, der Uraufführung des Stückes „Lovely Rita“ 1978, mutterseelenallein auf dem Flur des West-Berliner Berliner Schiller-Theaters herumtreibt.