„Halb Patriot und halb Verräter“: Nach Prigoschins Aufstand packen Ex-Wagner-Söldner aus
Frankfurter Rundschau
Der Wagner-Aufstand ist gescheitert – doch die Söldner haben einen unterschiedlichen Blick auf die Meuterei. Nicht alle bewundern mehr Boss Prigoschin.
Moskau – Lange ist es noch nicht her, dass die Wagner-Gruppe mit Boss Jewgeni Prigoschin auf Moskau zumarschierte. Keine 24 Stunden dauerte der Aufstand, als die Truppen sich wieder zurückzogen – bis zur russischen Hauptstadt kamen sie nicht. Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte den Söldner-Chef auf Schärfste, die Wagner-Soldaten aber nicht. Nun äußerten sich ehemalige und aktive Beteiligte der Söldner-Gruppe gegenüber der Moscow Times – und vertreten unterschiedliche Ansichten zum vermeintlichen Putsch-Versuch.
Vlad, ein ehemaliger Wagner-Söldner und heutiger Soldat im russischen Militär, beschuldigte Prigoschin, russische Soldaten gegeneinander aufzuhetzen – und das nur, um in seinen Streit mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu zu dominieren. Der 29-Jährige wolle anonym bleiben und bat die Moscow Times seinen Namen zu ändern. „Ich hätte es mir nie erlaubt, Waffen auf unser eigenes Volk und in gewissem Sinne auf unser eigenes Land zu richten“, erzählt er. Er habe sich bei der Söldner-Gruppe engagiert, um „sein Land“ im Ukraine-Krieg „zu verteidigen“ und nicht „aus Sympathie für Prigoschin“.
Auch Roman hat sich der Wagner-Gruppe aus patriotischen Gründen angeschlossen. „Meine Kameraden und ich haben für das Land gekämpft, nicht für irgendeinen dreisten Idioten und seine persönlichen Ambitionen“, erklärte der 35-Jährige. Beide Soldaten seien schockiert gewesen, als Prigoschin einen bewaffneten Aufstand gegen das Verteidigungsministerium anordnete. Schuld sähen sie aber auch bei den Verantwortlichen der Regierung, sie hätten den Konflikt früher unterbinden sollen.
Unter anderem das schwarze Kreuz, eine militärische Auszeichnung Wagners, bekam Roman für seinen Dienst an der ukrainischen Front – er rückte unter anderem nach Bachmut vor. „Wenn mich mein Eisernes Kreuz früher zu einem hundertprozentigen Patrioten gemacht hat, bin ich jetzt halb Patriot und halb Verräter“, sagte Roman zu seiner heutigen Situation. „Unsere Kameraden haben sich gegenseitig getötet, eine riesige Menge militärischer Vermögenswerte wurde zerstört, die Menschen haben Angst, ganz zu schweigen von der Schädigung des Rufs Russlands auf der geopolitischen Ebene.“
Doch die Wagner-Söldner sind geteilter Meinung. „Prigoschin redet und handelt rechtmäßig, er hat viel für das Land getan, während ich nicht glaube, dass Schoigu jemals etwas Nützliches getan hat“, sagte Malik, ein ehemaliger Wagner-Söldner. Manche von ihnen beschuldigten die Regierung Russlands als korrupt und inkompetent. Deswegen würden sie auf eine Umgestaltung der militärischen Führung hoffen – als Folge des Aufstands.