„Haben Sie eine Seele?“, fragt der Anwalt den 100-jährigen KZ-Wachmann
Die Welt
Als er jung war, wollte Josef Sch. zur SS. Im KZ Sachsenhausen beteiligte er sich am Holocaust. Im Alter von 100 Jahren steht er nun vor Gericht – und ist angeklagt wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3500 Fällen. Er will weiter schweigen.
Zuerst blickt er ganz ruhig, beinahe ungerührt, einfach geradeaus. Josef Sch. hat gerade auf der Anklagebank Platz genommen, den blauen Aktendeckel vor sich hingelegt, mit dem er Fotos abwehren wollte, und hört zu, wie Oberstaatsanwalt Cyrill Klement die Anklage verliest. Er spricht von Beihilfe zum Mord in mindestens 3518 Fällen, von heimtückischen Erschießungen in einer Genickschussanlage, vom Verhungern-Lassen und vom Sterben durch nicht behandelte Krankheiten.
Er berichtet vom Leben, das den Häftlingen in Sachsenhausen genommen werden sollte, auf die eine oder andere Weise. Ausführlich beschreibt Staatsanwalt Cyrill Klement bei der Verlesung der Anklage die systematischen Tötungen von Tausenden während der Jahre 1941 bis 1945. „Der Angeklagte unterstützte dies wissentlich und willentlich zumindest durch gewissenhafte Ausübung des Wachdienstes, die sich nahtlos in das Tötungssystem einfügte“, sagt der Ermittler.