„Höllenschwarz und Sternenlicht“: Das Paradies lässt auf sich warten
Frankfurter Rundschau
„Höllenschwarz und Sternenlicht“: Dantes „Göttliche Komödie“ in Moderne und Gegenwart im Berliner Kupferstichkabinett.
Das Kupferstichkabinett in Berlin widmet Dante Alighieri und seiner „Göttlichen Komödie“ eine Sonderschau. Erzählt wird in Dantes Bestseller in drei Passagen einer Reise – Hölle (Inferno), Fegefeuer (Purgatorio), Paradies – eine Ewigkeitsgeschichte, die uns lehrt, dass Irren menschlich ist und die Komödie aus der Tragödie und die Tragödie aus der Komödie geboren wird. Und zwar immer wieder aufs Neue, seitdem der homo sapiens sich einbildet, die Krone der Schöpfung zu sein und in immer höherer Zivilisation zu leben.
1882 hatten sich Berlins Königliche Museen (seit 1918 Staatliche Museen) ein Pergament des Malers Botticelli angeschafft, eine Metallstift/Federzeichnung zu „Dante und Vergil im fünften Ring des Purgatoriums“, datiert auf 1492/1495. Auf dieses Blatt, auf dem Botticellis Linien nur palimpsestartig aufscheinen, bezieht sich die aktuelle Schau. Es geht darin ums Höllenschwarz und ums Sternenlicht – als Anspielung auf Dantes Jenseits-Trip. Und natürlich geht es in diesem Museum insbesondere um das alte Metier der Zeichnung und Druckgrafik.
Kurator Andreas Schalhorn lenkt den Blick bei dieser Zeitreise ins mystische Universum von Sünde, Verdammnis, Läuterung und Erlösung gleich im Zentrum der Schau auf Gegenwartskunst: auf die aus einzelnen Bildmodulen entwickelten Computer-Grafiken von Andreas Siekmann. Der Maler befasst sich seit Jahren mit der Ökonomisierung und Privatisierung des öffentlichen Stadtraums, hier explizit mit dem in Dresden nach der politischen Wende 1990.
Freiheit ist sein Thema. Aber diese Freiheit beginnt und endet auf den bunten Siekmann-Drucken in der „Hölle auf Erden“, beim Geld, das der eine hat und der andere nicht, was den einen das Leben gut leben lässt und dem anderen das Lebensnotwendigste nimmt. Darum nennt der Künstler seine Passagen durch die kapitalistische Unterwelt auch beredt „Die Exklusive. Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten“. Dazu gehören etwa kühn gestapelte Schiffscontainer auf den Weltmeeren, Traumschiffe und Luxusautos. Oder ein buntes Karussell (Siekmann-Werk auf der Documenta 12), als Symbol der kolonialen Bildpolitik.
Um diesen Bild-Diskurs herum gibt es eine spannende künstlerische Auseinandersetzung seit Anbruch der Moderne. Da korrespondieren mit Dantes literarischer Hölle-Himmel-Exkursion die stilistisch disparaten Zeichnungen und Grafiken von Symbolisten wie Odilon Redon, Böcklin, von Bildhauern wie Lehmbruck und Thorwaldsen. Erstaunlich, welch ein Füllhorn die Sammlung des Kupferstichkabinetts zu Dantes mächtigem Werk bieten kann.