„EU-Mitgliedschaft ist nicht erpressbar“: Erdogans Nato-Deal empört Europapolitiker
Frankfurter Rundschau
Vergifteter Deal: Erdogan will Schweden den Nato-Beitritt ermöglichen – unter einer Bedingung: Die EU muss die Türkei aufnehmen. Die Empörung ist groß.
Brüssel – Überraschende Wendung im Streit um die Nato-Erweiterung: Die Türkei will die Blockade von Schwedens Beitritt aufgeben – aber nur unter einer Voraussetzung: Die Europäische Union (EU) soll im Gegenzug den gestoppten Beitrittsprozess mit der Türkei wiederbeleben. Doch mit diesem Vorstoß löste der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Welle der Empörung aus. Mehrere deutsche Europapolitiker lehnten den Vorschlag über Parteigrenzen hinweg ab.
„Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft und schon deshalb ist eine Mitgliedschaft nicht erpressbar“, teilte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister (CDU), auf Anfrage von fr.de von IPPEN.MEDIA am Montag (10. Juli) mit. Das EU-Parlament unterstütze uneingeschränkt den Beitritt Schwedens zur Nato. Doch die „Europäische Union und die Nato sind zwei voneinander unabhängige Institutionen, über deren Mitgliedschaften kein Staat und kein Regierungschef alleine entscheidet“, so der Christdemokrat. Erdogan selbst habe dafür gesorgt, dass ein EU-Beitritt der Türkei in weite Ferne gerückt sei. Mit seiner neuen Forderung unterstreiche er einmal mehr das Problem.
McAllister reagierte damit auf den jüngsten Vorstoß von Erdogan. Einen Tag vor dem Nato-Gipfel in Vilnius machte der türkische Präsident eine Zustimmung zur Aufnahme Schwedens in das Militärbündnis überraschend von einer neuen Bedingung abhängig – der Belebung der vor Jahren auf Eis gelegten Beitrittsgespräche der Türkei zur EU. Vor dem Abflug zum Nato-Gipfel sagte Erdogan am Montag in Istanbul an die EU-Länder gerichtet: „Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben.“
Die Äußerung kommt überraschend. Bislang hatte Erdogan als Hauptgrund für die Blockadehaltung der Türkei zum Nato-Beitritt vor allem Schwedens aus türkischer Sicht unzureichendes Vorgehen gegen „Terrororganisationen“ genannt. Er bezieht sich damit vor allem auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, EU und den USA auf der Terrorliste steht.
Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 gemeinsam mit Finnland die Nato-Mitgliedschaft beantragt. Finnland wurde Anfang April als 31. Mitglied im Bündnis willkommen geheißen, Schweden fehlte dagegen weiterhin die Zustimmung aus der Türkei und auch aus Ungarn.