„Die Macht der Satire“ (hr): Satire an die Macht!
Frankfurter Rundschau
„Radikal komisch – Die Macht der Satire“ - diesem komplexen Thema widmet sich eine Dokumentation im hessischen Fernsehen.
Frankfurt am Main - Satire in der Politik ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nichts Neues. Bereits 1950 gründete Werner Finck in Berlin die „Radikale Mitte“, ein eingetragener Verein „wider den tierischen Ernst der Zeit“, dem sich sogar Theodor Heuss anschloss. Es folgten im Jahr 1998 Christoph Schlingensiefs „Chance 2000“, die mit dem Slogan „Scheitern als Chance“ antrat und schließlich 2004 die von der TITANIC-Redaktion gegründete Die PARTEI mit dem Leitspruch „Inhalte überwinden“. Letztere nimmt im Folgenden eine zentrale Rolle ein, denn wieder einmal berichte ich – als ranghohes Mitglied dieser Partei – über die dreiteilige Kurzserie „Radikal komisch – Die Macht der Satire“. Man könnte mir also eine gewisse Parteilichkeit unterstellen. Diesmal widme ich mich der letzten Episode vom 17. Februar, die um 22:30 Uhr im hr-Fernsehen ausgestrahlt wurde.
Die Ausgabe ist deutlich inhaltsschwerer als die vorherigen, entsprechend wird auf angenehm wenige Clips zur Zeitfüllung zurückgegriffen. Thematisch begeben wir uns nun auf mein Fachgebiet (angelernt), nämlich Satire in der Politik und politische Satire in den Medien. „Ein Satiriker, der zum Politiker wird, kann vieles bewirkten“, weiß Oliver Maria Schmitt direkt zu Beginn zu berichten. „er kann das System von innen heraus bearbeiten, schädigen oder kommentieren.“ Schmitt ist Experte auf dem Gebiet, denn er ist Gründungsmitglied, Ehrenvorsitzender und früherer Kanzlerkandidat der Die PARTEI, außerdem dürfte er in Frankfurt noch für seine Oberbürgermeister-Kandidatur von 2012 bekannt sein, bei der er einen eindeutigen Regierungsauftrag von sage und schreibe 1,8 % der Wählerinnen und Wähler erlangen konnte.
Doch die Sendung widmet sich vorerst der politischen Satire in den Medien. Christina Schlag wird neuerlich mit einem Sketch vom Browser Ballett in Szene gesetzt, in dem sie als lesbische Frau ein heterosexuelles Paar im Park belästigt und damit eine realistische Sachlage komisch verdreht. Im Gespräch weist sie darauf hin, dass derartige Nummern eine Anregung zum Nachdenken sein können und Menschen die Möglichkeit eröffnen, eine andere Sichtweise einzunehmen. Sie fügt noch an, dass ein höheres Interesse für Politik unter jungen Menschen auch für ein höheres Interesse an Satire gesorgt habe. Ich selbst kann das anhand meiner eigenen Biografie nicht bestätigen: um im Rahmen meiner Adoleszenz die Witze von beispielsweise Harald Schmidt, Ingo Appelt oder sogar Otto zu begreifen, war es wichtig, auch tagespolitische Themen zu verfolgen. Mich hat der Witz politisiert, aber ich erhebe auch keinen Anspruch, hier als empirische Evidenz zu dienen.
Einen großen Teil der Zeit nimmt Jan Böhmermann ein, freilich ohne sich selbst dazu zu äußern, was für ihn auch sehr untypisch wäre. Der Europaabgeordnete und PARTEI-Vorsitzende Martin Sonneborn übernimmt den Part der Kommentierung und attestiert Böhmermann, den Sprung von der Komik zur Aufklärung gemacht zu haben und damit Sachverhalte für ein jüngeres Publikum aufzubereiten. Und wenn man nur auf die letzten drei Folgen seiner Sendung ZDF Magazin Royal zurückschaut, so erkennt man als Titelthemen ein Portrait des superreichen Trump-Unterstützers Peter Thiel, die Problematik um Psychotherapieplätze und die weltweite Verteilung von Impfstoffen. Wahrlich keine Standardthemen für billige Witze, sondern aufwendige Recherche- und Aufklärungsarbeit. Ella Carina Werner ergänzt dazu, dass Satire-Formate wie die Heute Show und Satiriker wie Böhmermann eine höhere Glaubwürdigkeit und mehr Vertrauen als klassische Nachrichtenformate unter jungen Menschen genießen, was Till Reiners auf eine deutlich höhere Inhaltsfülle zurückführt, wohingegen altbewährte Nachrichtenformate zu verkürzt und nicht auf Augenhöhe daherkommen. Im Zuge dessen kritisiert Serdar Somuncu den Journalismus der Leitmedien, der nach seiner Ansicht nur noch von Twitter kopiert und selbst nicht mehr ordentlich recherchiert. TITANIC-Aktionen wie #MioMioGate oder die gefakte Aufkündigung der Unionsfraktion durch Horst Seehofer unterstützen diese These.
In einem Clip aus der Heute Show wird Martin Sonneborn von Oliver Welke gefragt, ob die Zeiten nicht zu ernst seien, um seine Stimme einer Satirepartei zu geben. Sonneborn entgegnet daraufhin, die „Zeiten sind zu ernst, um darauf nicht mit Satire zu reagieren.“ Es folgen Videos seiner Parlamentsarbeit, in denen er immer wieder auf Verfehlungen und Verbrechen hoher Politiker:innen der EU hinweist. Seinen Worten nach ist Aufklärung das einzige Mittel und die EU bloß „ein Konstrukt für große Unternehmen.“ Lediglich die Abschaffung der Roaming-Gebühren kann er als etwas Positives für die Bürgerinnen und Bürger bewerten.