
„Die Kalten und die Toten“ (ARD): Tatort Berlin
Frankfurter Rundschau
Der Berlin-Tatort „Die Kalten und die Toten“ ist ein Vorgeschmack auf einen langen Winter.
Frankfurt am Main - Dies ist ein Tatort der traurigen Eltern-Kind-Beziehungen, eigentlich der traurigen Eltern. Die einen verdrängen, die anderen sind über- oder unterbesorgt. Da „Die Kalten und die Toten“ (ARD) ein beklemmender Kriminalfilm ist, sind die Folgen teilweise katastrophal, teilweise abgrundtief tragisch.
Es gibt zum Beispiel die Eltern der Toten, gespielt von Andreja Schneider und Rainer Reiners, brave Leute, die nicht alles über ihre Tochter wissen, aber jetzt wollen sie vor allem nicht wissen, dass sie tot ist. Sei ein DNA-Test nicht so ungenau wie ein Corona-Test? (Und bleibt es nicht seltsam, wie wenig die Tatort-Reihe bisher aus dem Corona-Thema macht?) Markus Busch (Buch) und Torsten C. Fischer (Regie) skizzieren in kurzen Szenen, wie das Bewusstsein, alles verloren zu haben, über Tage allmählich nach oben ins Bewusstsein kriecht. Um die Tragödie von Angehörigen zu erzählen, braucht es nicht viel Sendezeit, es braucht einen Einfall. Hier ist es das kleine Familienfest, das die Eltern der Toten zunächst weiter vorbereiten, die Dekoration, die Tafel. Bis sie es am Ende doch absagen.
Bei einem anderen Elternpaar zeigt sich, dass man auch alles drei zugleich sein kann: überbesorgt, was das Kind betrifft, unterbesorgt, was die Welt betrifft, ein Verdränger obendrein, oder eine Verdrängerin. Wie die Polizistin Ziegler, Jule Böwe, die Grund hat anzunehmen, dass ihr Sohn, Vito Sack, ein Mörder ist. Auch das Fernsehpublikum wird zu diesem Zeitpunkt eins und eins zusammenzählen und zu einer Vermutung dieser Art kommen. Böwe spielt einen Menschen im Tunnel, eine unangenehme, intensive Situation, zumal der Sohn offensichtlich der größte Nichtsnutz auf Gottes weiter Erde ist. Das mag nicht sehr empathisch klingen, aber Empathie ist zwar ein Thema, aber nicht die Stoßrichtung. Die Stoßrichtung ist ein Unbehagen an- und ein Grausen voreinander.