
„Die Intelligenz der Pflanzen“ im Frankfurter Kunstverein: Wo der Mensch zum Molekül wird
Frankfurter Rundschau
Eine Ausstellung, die beachtliche Einsichten in das Innenleben von Gräsern und Pflanzen gewährt. Von Sandra Danicke
Am Ende steht man da, überwältigt von seinen Gefühlen. Zwei riesige Bäume sind gestorben, entwurzelt von einem Sturm. Passiert täglich, hunderttausendfach. Bloß nimmt es einen sonst nicht so mit. Die jahrhundertealten Eichen, die jetzt in gedimmtem Licht unter dem Titel „Embalmed Twins I und II“ in der Ausstellung „Die Intelligenz der Pflanzen“ im Frankfurter Kunstverein zu sehen sind, wirken kein bisschen wie totes Holz. Sie sind eindeutig Wesen, mit Schrunden und Kratern, glatt, schroff und vernarbt - zwei gelebte Leben.
So wie die belgische Künstlerin Berlinde De Buyckere sie präpariert hat, ähneln sie abgeschlachteten Elefanten. und auch wieder nicht. Sie scheinen Stümpfe zu haben, Rücken und Schultern, sogar Münder. Sie strahlen Tragik und Stärke aus. Die Riesenbäume sind der Höhepunkt einer bemerkenswerten Ausstellung, die sich mit unserer Lebensgrundlage auf mehreren Ebenen auseinandersetzt.
Es beginnt im Erdgeschoss mit einem wissenschaftlichen Versuchsaufbau des Forschungszentrums Jülich. Das dortige Institut für Bio-, Geo- und Pflanzenwissenschaften beschäftigt sich unter anderem mit dem Potenzial von Pflanzen als nachwachsende Rohstoffe und Nahrungsmittel. Mithilfe bestimmter Apparaturen werden die Wurzeln ausgestellter (lebender!) Nutzpflanzen analysiert. Daraus lassen sich Schlüsse für Anbaumethoden ziehen - und damit zur Versorgung der Menschheit. Wurzeln sieht man in der Regel nicht, in dieser Anordnung aber schon – in echt und durch bildgebende Analyseverfahren. Darüber hinaus wird das Arrangement durch Präparate des österreichischen Pflanzensoziologischen Instituts ergänzt - präparierte Pflanzen, die man einst mitsamt ihres komplexen Wurzelwerks ausgegraben hat. Wer hätte gedacht, dass die Wurzel des Winterlöwenzahns über vier Meter in den Boden reicht?