
„Deutschland muss aus Dornröschenschlaf erwachen“: Ukraine-Botschafter wird bei Anne Will deutlich
Frankfurter Rundschau
Bei Anne Will (ARD) raten bundesdeutsche Politiker mit überzeugenden Argumenten zur Besonnenheit im Ukraine-Konflikt.
Wie Maybrit Illner am vergangenen Donnerstag (03.02.2022) widmete sich auch Anne Will (ARD) der Ukraine-Krise. Allerdings hatte sie etwas weniger Glück mit ihren Gästen. Denn die beiden Fürsprecher der ukrainischen Position erwiesen sich aus unterschiedlichen Gründen als ungeschickte Verteidiger ihrer Sache.
So begann die Runde mit einer problematischen Beschreibung der Lage durch Anne Applebaum. Die US-amerikanisch-polnische Historikerin und Journalistin ließ entgegen ihrer Behauptung erkennen, dass sie die bundesdeutsche Debatte über Waffenlieferungen eben doch nicht genau genug verfolgt hatte. Sie war schlicht nicht auf dem neuesten Stand und schien wesentliche Aussagen der Politik verpasst zu haben, wenn sie forderte „Olaf Scholz muss sagen, dass er keinen Krieg will.“
Kevin Kühnert wies bei Anne Will (ARD) zurecht darauf hin, dass die Positionen der Regierung hinlänglich bekannt seien und er von Unsicherheit bei den Partnerstaaten nichts erkennen könne. Und es war auch nicht mit Applebaums enger privaten Verbindung zu Polen zu entschuldigen, dass sie mit dem so unterkomplexen wie brachial-politischen Argument zitiert wurde, wer keine Waffen liefern wolle, sei für den Krieg.
Solche Hardliner-Positionen hätte man eher vom ukrainischen Botschafter Andrij Jaroslawowytsch Melnyk erwarten können, aber aus ihm sprach die echte Sorge um sein Vaterland, wenn er bat: „Helfen Sie uns, den Kurs der (deutschen) Regierung zu ändern!“ Die müsse man aus dem „Dornröschenschlaf“ wecken. Er habe nicht das Gefühl, dass man sich auf Deutschland verlassen könne.
Es war dann an den deutschen Politikern, die Aufgeregtheit etwas herunterzukühlen. Jürgen Trittin erinnerte daran, dass die Bundesregierung der größte Geldgeber der Ukraine sei und natürlich Interesse an ihr als Partner habe. Nun sei aber der Dissens über der Frage entstanden: Was schreckt Putin mehr ab? Der Grünen-Politiker plädierte für Verhandlungen und das Szenario möglicher Sanktionen. Denn es gebe in der Nato die Grundentscheidung: Es werde keine militärische Lösung geben. Im Übrigen gebe es keinen militärischen Hebel, um Putin von einer Invasion abzuhalten. Und die USA und Großbritannien würden auch in diesem Fall nicht militärisch aktiv werden.