„Der Exodus hat gerade erst begonnen“
Die Welt
Polnische Spitzenpolitiker hetzen gegen nicht heterosexuelle Menschen und schaffen „LGBTI-ideologiefreie Zonen“. Immer mehr queere Menschen verlassen deshalb Polen. Vor allem nach Berlin. WELT hat einige von ihnen getroffen.
Eines Morgens entschied sich Daniel Ptok*, zu gehen. Zwei Wochen nahm er sich Zeit, sein Leben in Kisten zu packen, wegzugeben und aufzulösen, was nicht zu packen war. Am Ende passte alles, was er mitnehmen wollte, in einen Opel Corsa. Dann fuhr er los. Sein Ziel: die Motzstraße in Berlin. Das war im Sommer 2020. Knapp ein Jahr später sitzt der 28-Jährige an einem lauen Abend auf einer Bank in Schöneberg. Er erinnert sich an seine Ankunft in Berlin: „Es war schon Nacht, als ich in der Motzstraße ankam. Überall hingen Regenbogenflaggen aus dem Fenster. Es war wie für einen großen Empfang hergerichtet.“ Dabei hat niemand auf Ptok gewartet, er kannte niemanden in Berlin, hatte keinen Job und keine Wohnung. Nur die Hoffnung, endlich so leben zu können, wie er will: als offen homosexueller Mann. Jahr für Jahr kommen Tausende, hauptsächlich junge Polen nach Deutschland. Zwischen 2009 und 2019 waren es im Schnitt rund 7500 pro Jahr. Wie viele von ihnen sich als LGBT – also lesbisch, homo- oder bisexuell, transident oder intergeschlechtlich – identifizieren, ist unklar. Aber Berichte darüber, dass queere Menschen Polen verlassen, häufen sich. Und Berlin ist eines ihrer liebsten Ziele.More Related News