„Das sind Menschenrechtsverletzungen, die da stattgefunden haben“
RTL
Andrea Würtz hat den Pflegeskandal Schliersee mitaufgedeckt - auch für sie hatte das Folgen. Ein Interview über den Preis des Whistleblowings.
Andrea Würtz hat den Pflegeskandal Schliersee mitaufgedeckt, heute Abend ist sie bei "Team Wallraff" zu sehen – wo in weiteren Heimen schockierende Zustände enthüllt werden. Ein Interview über den Preis des Whistleblowings und die Verantwortung der Pflegekräfte.
Vor bald zwei Jahren betrat Andrea Würtz zum ersten Mal die Seniorenresidenz Schliersee in Oberbayern. Corona war ausgebrochen, Würtz arbeitete für das zuständige Gesundheitsamt des Landkreises Miesbach. Bald aber ging es um mehr als den Infektionsschutz: Würtz sah unterernährte Bewohner, unversorgte Wunden, unfassbare Zustände. Würtz, selbst viele Jahre in der Pflege tätig, drängte auf eine Schließung des Heimes – vergeblich. Sie wandte sich daraufhin an die Öffentlichkeit, das Heim wurde Ende vergangenen Jahres schließlich geschlossen. In München laufen derzeit Ermittlungen gegen mehrere Beschuldigte, darunter die ehemalige Heimleiterin. Der Verdacht: Körperverletzung in 88 Fällen. Zudem werden 17 Todesfälle überprüft. Wir haben mit Andrea Würtz darüber gesprochen, was sie nach ihren Enthüllungen erlebt hat, was sie sich von der Gesellschaft wünschen würde – und von anderen Pflegekräften.
Frau Würtz, Sie haben Bayern verlassen, wir führen dieses Interview in Ihrem neuen Zuhause in der Pfalz. Was ist passiert?
Einerseits hat das familiäre Gründe: Meine Schwiegermutter kann hier in der Pfalz nicht mehr gut alleine leben, benötigt unsere Hilfe, und nach meinen Erfahrungen in Schliersee und auch anderen Einrichtungen wollten wir sie nicht ins Heim geben. Andererseits ist es schon so, dass das Whistleblowing nicht ohne Folgen geblieben ist.
Was für Folgen?
Ach, manchmal, wenn ich in Oberbayern mit dem Hund spazieren gegangen bin, haben die Leute sich nach mir umgedreht: Na, Sie trauen sich aber was! Ich habe mich nicht bedroht gefühlt, aber es war auch durch weitere Sticheleien hier und da klar, dass ich beruflich in dieser Umgebung nicht mehr Fuß fassen werde.
Haben Sie es noch einmal versucht?
Ja, aber ich wurde noch während der Probezeit gekündigt. Die erste Kündigung meines Lebens. Es gab da einen Zwischenfall, den ich gerne aufgeklärt haben wollte. Mir wurde gesagt, dass die Belegschaft Sorge habe, meinen Ansprüchen nicht gerecht zu werden; die wussten natürlich, dass ich die aus Schliersee war.