
„Beforeigners“: Rotzig angenommenes Schicksal und tausendjährige Rülpserfahrung
Frankfurter Rundschau
Die norwegische Krimi-Mystery-Serie „Beforeigners“ (ARD) widersetzt sich angenehm unaufgeregt dem gängigen Serieneinerlei.
Zugegeben, das mag sicherlich für jede Idee gelten, aber bisweilen gibt es eben doch welche, deren Sich-einfallen-Lassen ein wenig mehr benötigt als das leider seit vielen Jahren handelsüblich klischeegestählte Ermittler-mit-traumabedingten-Macken-hat-Visionen-Einerlei. So vereint beispielsweise die norwegische … ja, was eigentlich … Krimi- und Mysterserie (?) „Beforeigners“ derart viele genreübergreifende Elemente (die man zwar allesamt auch schon mal anderswo gesehen hat, aber selten so pointiert verwoben), dass es eine wahre Freude ist – die sich allerdings nur dann einstellt, wenn man sich auf dieses „Mehr“ an komplexen Absonderlichkeiten und vor allem die ursprüngliche Prämisse der Serie einlässt.
Und die besagt, dass in der „Jetztzeit“ durch nicht weiter erklärte Zeitlöcher unfreiwillig jede Menge „Zeitmigranten“ (im Original die titelgebende Melange aus „Before“ und „Foreigners“) auftauchen, die aus drei Epochen der Vergangenheit stammen. Besagte Zeitspannen bzw. deren Reingeborene werden historisch zwar nicht näher definiert, sondern – selbst wenn es sich wie bspw. bei der „Steinzeit“ um einen sich über zwei Millionen Jahre erstreckenden Zeitraum handelt – lediglich unterteilt in eben Steinzeit, Menschen aus dem späten 19. Jahrhundert und – und darum geht’s hauptsächlich – Migranten aus der Zeit der Wikinger. Letztere ebenfalls ein immerhin circa 300 Jahre währender Teil des Frühmittelalters. So weit, so gut und damit gleichsam unübersichtlich.
Doch auch wenn der absehbare, aber hier ausgesprochen angenehm unaufgeregt präsentierte Zusammenstoß der Kulturen selbstverständlich zu einigen (teils humoristisch gemeinten) Reibereien taugt, so sind die Beforeigners, egal welcher historischer Couleur, doch allesamt mehr oder weniger notgedrungen in die moderne Gesellschaft integriert. Und die in einer wunderbaren Mischung aus rotzig angenommenem Schicksal und tausendjähriger Rülpserfahrung von Krista Kosonen verkörperte Hauptfigur, die Wikingerin Alfhildr Enginnsdottir, hat es sogar bis in die Osloer Kriminalpolizei geschafft, weiß dort erstaunlich sicher mit moderner Technologie umzugehen, reist aber dennoch innerzeitig, statt mit Koffer oder Tasche, mit einer klobigen Holztruhe.
An dieser Stelle gezielter auf die eher überschaubare Krimihandlung einzugehen, deren wiederum komplexe zeitliche Verstrickungen mit den durchaus erwartbaren Zeitreisekniffligkeiten einhergehen, wäre jedoch ebenso verschwendete Zeit wie eine genauere Beschreibung des sich aus insgesamt vier Ebenen rekrutierenden Figurenpersonals und dessen sich ebenfalls überschneidender Verstrickungen, denn der eigentümliche Charme der Serie besteht tatsächlich darin, als Zuschauer die Zeitmigrationsprämisse einfach als gegeben hinzunehmen und – so schwer es bisweilen fällt – nicht weiter zu hinterfragen.
Dass hier in einem Aufwasch auch noch nebenbei die Problematik moderner Flüchtlingsbewegungen behandelt wird, ist eher subtil eingeträufelt, denn auf die ganz grobe gesellschaftskritische Keule wird in der Serie (trotz archaischer Wikinger und Steinzeitlern) erfreulicherweise weitgehend verzichtet. Die Thematik schleicht sich eher zwischenzeilig in die Handlung und ist für deren Verlauf, wenn man mal von den erwartbaren Verwicklungen, Vorurteilen und den damit verbundenen Nebenkriegsschauplätzen absieht, auch nicht weiter wichtig, rundet aber das Gesamtbild des Szenarios dennoch bestens ab. Auch das, ein Verzichten auf allzu Moralisches, ein absoluter Pluspunkt für den reinen Unterhaltungsgrad der Serie.