„All unsere Jungs wurden abgeschlachtet“: Abgehörtes Telefonat verweist auf hohe Verluste Russlands
Frankfurter Rundschau
Der Zustand der russischen Armee verschlechtert sich. Abgehörte Telefonate berichten vom Massaker einer betrunkenen Einheit und dem Rückzug eines Regiments.
Kupjansk – Zwei heimlich abgehörte Telefonate zwischen russischen Soldaten offenbaren die Zustände innerhalb der Moskauer Armee und deuten darauf hin, dass die ukrainische Gegenoffensive doch erfolgreicher sein könnte, als bislang angenommen. Beide Gespräche sollen über den ukrainischen Militärgeheimdienst veröffentlicht worden sein. Die Echtheit der Aufnahmen ließ sich bislang nicht unabhängig prüfen.
Das erste der beiden Telefonate dreht sich um einen anonymen Soldaten der 27. Brigade der russischen Armee. Seine Einheit soll sich im ostukrainischen Gebiet Charkiw aufgehalten haben. Der Soldat und seine Einheit seien dort in einen seit Wochen anhaltenden Kampf um die Stadt Kupjansk verwickelt gewesen. Die Stadt im Nordosten der Ukraine ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt mit fünf verschiedenen Bahnlinien, die teilweise direkt nach Russland führen. Kupjansk ist damit aus strategischer Sicht für beide Seite interessant.
Im abgehörten Gespräch mit seiner Frau fragt der Soldat, ob sie gehört habe, was mit der 27. Brigade passiert sei. Nachdem seine Frau verneint, erklärt der Kämpfer, seine Einheit sei „völlig zerfetzt“ worden. „Alle unsere Leute wurden abgeschlachtet“, zitiert The Kyiv Post aus dem Telefonat. Der Soldat behauptet seine Kameraden hätten im Zuge ihres bevorstehenden Abzugs von der Front getrunken. Zum Massaker sei es nur gekommen, weil seine Einheit „viel zu entspannt“ gewesen sei.
Wie viele Personen bei dem im Telefonat beschriebenen Vorfall ums Leben gekommen sind, ist unklar. Über einen starken Rückschlag der russischen Armee in der Region Charkiw wurde in den vergangenen Wochen nicht berichtet. Russland hatte Mitte Juli damit begonnen, seine Truppen in Charkiw zusammenzuziehen. Anfang September berichtete das russische Verteidigungsministerium von einer Verbesserung der „taktisch Position“ ihrer Truppen. Den Angaben zufolge sollen die ukrainischen Truppen dabei hohe Verluste erlitten haben.
Im zweiten Telefonat ist ein Soldat zu hören, der seine jüngsten Erfahrungen an der russischen Front schildert. Dort hätte ihn sein Stabschef dazu aufgefordert, einen Bericht zu überprüfen, laut welchem mehrere Panzerfahrer seines Regiments bei einem Angriff verstorben seien. Nachdem sich die Befürchtungen bestätigt hatten und alle fünf Fahrer für tot erklärt wurde, habe man das gesamte Regiment zum Rückzug aufgefordert. Der Soldat beschrieb die Situation am Telefon als „einfach beschissen“. Er fügte hinzu, dass man nun gezwungen sei, alle territorialen Verteidigungsregimenter aufzulösen und zu einem großen Regiment zusammenzufassen.