Östrogen kann das Sterberisikobei Covid-19 reduzieren
Frankfurter Rundschau
Männer erkranken häufiger schwer, wenn sie sich infiziert haben. Forschende aus Schweden untersuchen den Einfluss des weiblichen Sexualhormons.
Schon früh in der Pandemie zeichnete sich ab, dass Männer häufiger als Frauen schwer an Covid-19 erkranken und auch häufiger daran sterben. In China waren laut einer Studie rund 70 Prozent der Coronatoten Männer, in Europa liegt ihr Anteil bei etwa 60 Prozent. Bei Sars-1 und Mers, die ebenfalls von Coronaviren verursacht werden, verhielt es sich ähnlich. Studien belegen, dass Männer bei Infekten verschiedenster Art oft heftiger erkranken, etwa auch bei Erkältungen. „Männerschnupfen“ hat also nicht nur etwas mit Wehleidigkeit zu tun.
Es liegt nahe, dass die Ungleichverteilung zwischen den Geschlechtern mit hormonellen Einflüssen zu tun haben könnte. Untersuchungen zur Rolle des männlichen Geschlechtshormons Testosteron indes lieferten widersprüchliche Ergebnisse. So zeigte eine Studie der Universitätsklinik San Raffaele in Mailand, dass bei Patienten mit niedrigem Testosteronspiegel die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, um das Sechsfache erhöht war. Eine Studie der Universität Padua wiederum konstatierte ein geringeres Erkrankungsrisiko für Patienten, die gegen Prostatakrebs mit Medikamenten behandelt wurden, die Testosteron hemmen.
Forschende der Universität Umeå (Schweden) haben das weibliche Sexualhormon Östrogen in den Fokus genommen – und kamen zu dem Ergebnis, dass es vermutlich einen gewissen Schutz vor schweren Verläufen und Tod durch Covid-19 bietet. Östrogen soll demnach das Risiko, an einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu sterben, um 50 Prozent verringern. Die auf landesweiten Daten basierende Studie wurde online auf dem Portal BMJ open veröffentlicht.
Auch wenn die Arbeit eine Erklärung dafür liefern könnte, warum Männer häufiger an Covid sterben, so waren diese doch gar nicht Bestandteil der Studie. Eingeflossen sind die Daten von 14 685 Frauen im Alter zwischen 50 und 80 Jahren, von denen 17,3 Prozent eine Hormonersatztherapie mit Östrogen gegen Wechseljahrsbeschwerden bekamen. 1,3 Prozent hatten einen verringerten Östrogenspiegel aufgrund einer Hormonbehandlung gegen Brustkrebs. Der Rest nahm überhaupt keine Hormonpräparate ein.
Es zeigte sich, dass das Risiko an Covid zu sterben, in der Gruppe, die Östrogenpräparate einnahm, weniger als halb so groß war wie bei den Frauen ohne Hormonbehandlung. Das höchste Risiko bestand in der Gruppe, die eine Anti-Östrogentherapie erhielt. Wie es in einer Mitteilung der Universität Umeå heißt, sei der kausale Zusammenhang mit den verringerten Östrogenwerten jedoch nicht sicher, da diese Frauen im Schnitt älter waren und zudem auch wegen Krebs behandelt wurden – beides Faktoren, die das Risiko eines schweren Verlaufs von Covid-19 erhöhen. Es sei wichtig, dass diese Frauen ihre Medikamente weiterhin einnehmen, um das Risiko eines erneuten Auftretens von Krebs zu verringern, wird Studienleiterin Malin Lund in der Mitteilung zitiert.