Östliche "Flüchtlingsverweigerer" werden Helfer
n-tv
Millionen Menschen sind bereits vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen, viele davon nach Polen, Tschechien, Rumänien, die Slowakei oder Ungarn. Dort, bei den einstigen Quoten-Gegnern, treffen die Flüchtlinge auf große Hilfsbereitschaft. Das überrascht viele. Was hat sich geändert?
Der russische Krieg gegen die Ukraine hat in Polen, Tschechien, der Slowakei und anderen östlichen EU-Staaten eine riesige Solidaritätswelle ausgelöst. Menschen, die vor den Kämpfen fliehen, werden mit offenen Armen und Herzen aufgenommen. Im polnischen Grenzbahnhof Przemysl erhalten sie erst einmal etwas Warmes zu essen. Tschechien schickt Sonderzüge, um Hilfsgüter zu liefern und Flüchtlinge abzuholen. Selbst die kleine Slowakei verzeichnet bereits mehr als 200.000 Grenzübertritte aus der Ukraine.
Es sind dieselben Länder, die sich während der Migrationskrise 2015 und 2016 einen Namen als "Flüchtlingsverweigerer" gemacht hatten. Die Visegrad-Staaten Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn sperrten sich vehement gegen eine Umverteilung der Neuankömmlinge unter allen EU-Staaten. Der Streit landete sogar vor dem Europäischen Gerichtshof, der den hartnäckigsten Aufnahmeverweigerern im April 2020 Rechtsbruch bescheinigte.
Warum ist diesmal alles anders? "Die Islamophobie ist in Polen sehr groß, und Flüchtlinge aus der Ukraine stehen den Menschen von Religion und Kultur her näher als die aus Syrien", sagt der Warschauer Politologe Antoni Dudek. Ein zweites Motiv sei das Mitgefühl mit den Opfern einer russischen Aggression. "Die Polen haben eine lange Tradition von Aufständen gegen Russland." Auch der Kampf der Gewerkschaft Solidarnosc, die in den 1980ern das kommunistische Regime niederrang, werde von vielen Polen als Widerstand gegen den russischen Imperialismus interpretiert.