Ägäis-Konflikt: "Die Türkei schafft Fakten"
DW
Die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei in der Ägäis und im südöstlichen Mittelmeer nehmen zu. Ein Krieg stehe nicht bevor, aber die Lage sei bedenklich, sagt der Türkei-Experte Günter Seufert im DW-Gespräch.
Deutsche Welle: Herr Seufert, im Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei gibt es keine Deeskalation. Wie ernst sollte man die Infragestellung der griechischen territorialen Souveränität in der Ägäis durch Mitglieder der türkischen Regierung nehmen?
Günther Seufert: Mittelfristig sollte man die Infragestellung der Souveränität großer griechischer Ägäis-Inseln ernst nehmen, weil wir hier eine Position haben, die sowohl von der türkischen Regierung als auch von der Opposition geteilt wird. Kurzfristig sehe ich im Augenblick aber keine große Eskalationsgefahr. Die Türkei versucht zur Zeit, mit den anderen Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeers die Wogen zu glätten, und da wäre eine Eskalation auf den Inseln kontraproduktiv.
Die Türkei hat erneut mit Rohstoff-Erkundungsbohrungen im südöstlichen Mittelmeer begonnen. Obwohl sich das Schiff Abdülhamid Han zur Zeit in türkischen Hoheitsgewässern bewegt, gibt es Besorgnis. Ist das eine Kriegsdrohung?
Bohrungen in den exklusiven Wirtschaftszonen Griechenlands wären zweifellos eine Provokation, auch wenn sie die Souveränität Griechenlands nicht direkt bedrohen. 2020 hat die Türkei in den exklusiven Wirtschaftszonen der Republik Zypern gebohrt und die exklusive Wirtschaftszone Griechenlands bei Kreta in Frage stellt. Die Republik Zypern, Griechenland und auch die Anrainerstaaten in der EU haben sich mittlerweile mehr und mehr daran gewöhnt, dass die Türkei hier Fakten schafft. Das ist mittel- und langfristig sehr bedenklich. Dass daraus im Augenblick ein Krieg entstehen könnte, glaube ich jedoch nicht.
Glauben Sie, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wirklich eine Eskalation mit Griechenland oder Zypern anstrebt? Oder ist das nur eine innenpolitische Show?