Zusammenhang zwischen Vitamin D und Corona: Neue Studie sorgt für Aufmerksamkeit
Frankfurter Rundschau
Eine neue Studie wird als Argument dafür herangezogen, dass Vitamin-D-Tabletten vor Corona schützen. Was ist an der Behauptung dran?
Nahariya – Eine neue Studie aus Israel hat den Zusammenhang zwischen einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel und schweren Corona-Verläufen untersucht. Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen wurde hierbei der Vitamin-D-Gehalt vor der Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 untersucht, statt danach. Schon jetzt wird die Studie als neuer Beweis für einen kausalen Zusammenhang der untersuchten Faktoren herangezogen – bei genauerem Hinsehen sieht die Sache jedoch anders aus.
In der Studie, die am Donnerstag (03.02.2022) veröffentlicht wurde, wurden erwachsene Corona-Patient:innen untersucht, die zwischen dem 07. April 2020 und dem 04. Februar 2021 in das Galilee Medical Center in der Stadt Nahariya in Israel aufgenommen wurden. Von 253 der Personen, auf welche dies zutraf, wurde der Vitamin-D-Spiegel 14 bis 730 Tage vor der Corona-Infektion gemessen und festgehalten. Diese Werte, in Zusammenhang mit der Schwere des Krankheitsverlaufs, lieferten die Grundlage für die Studie.
Seit Beginn der Pandemie wird der Zusammenhang zwischen Vitamin D und Corona kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse der neuen Studie scheinen dabei zunächst eindeutig: Patient:innen mit Vitamin-D-Mangel (weniger als 20 Nanogramm pro Milliliter) erlitten vierzehnmal so häufig einen schweren Corona-Verlauf wie Patient:innen mit einem hohen Vitamin-D-Spiegel (mehr als 40 Nanogramm pro Milliliter). In den sozialen Netzwerken wird die Studie deshalb als Argument dafür herangezogen, dass die Einnahme von Vitamin-D-Supplementen vor einer schweren Corona-Erkrankung schützt. Diese Annahme lässt die Studie allerdings nicht zu.
Im Diskussions-Teil der Studie weisen die Autor:innen selbst darauf hin, dass Vitamin-D-Mangel „ein Anzeichen für ein breites Spektrum chronischer Gesundheitszustände oder Verhaltensfaktoren“ sein kann, welche „gleichzeitig den Schweregrad von Covid-19-Erkrankungen und das Sterberisiko erhöhen“. Das bedeutet, dass ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel und einer schweren Corona-Erkrankung zwar möglich, beides aber wahrscheinlich Konsequenz anderer Faktoren ist.
Deshalb weisen die Studienautor:innen darauf hin, dass „wir den potenziellen Nutzen einer Vitamin-D-Supplementierung zur Verbesserung der Ergebnisse einer Sars-CoV-2-Infektion nicht überbewerten“ sollten. Dr. Martin Smollich, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, berichtete mit Hinweis auf die Studie von den möglichen Folgen einer Vitamin-D-Überdosierung. Auf Twitter berichtete Smollich von Eltern, die ihrem Kind statt einer Impfung zum Schutz vor Corona täglich zwei Pipetten Vitamin-D verabreichten. Das Kind liege nun auf der Intensivstation.