Willi Holdorf bei Fortuna Köln: Der Trainer, der Olympiasieger war
Frankfurter Rundschau
60 Jahre Bundesliga - die Serie, Teil 3: Als Leichtathlet Willi Holdorf auf Geheiß von Jean Löring Fortuna Köln retten sollte
Jean Löring war schon ein verrückter Typ. Es gibt viele Geschichten über ihn: Wie er einmal einen drohenden Spielabbruch im Kölner Südstadion abwendete, indem er an einem der Masten das ausgefallene Flutlicht eigenhändig wieder in Gang setzte – schließlich hatte er Elektriker gelernt. Oder: Wie er Toni Schumacher, den berühmten ehemaligen Nationaltorhüter, als Trainer in der Halbzeitpause feuerte. Aber das geschah alles in der zweiten Liga, in der Fortuna Köln, der Klub, der Lebensinhalt des Unternehmers Jean Löring war, lange spielte.
Ein Jahr war die zweite Kraft in der Domstadt auch erstklassig, in der ewigen Tabelle der Bundesliga ist Fortuna Köln auf Platz 52 unter 56 Klubs gelistet. Und in dieser einen Saison, 1973/74, unternahm Löring etwas noch viel Verrückteres: Er verpflichtete als Trainer einen, der ein großes deutsches Idol war – allerdings in einer anderen Sportart.
Den Mann, der im Januar 1974 auf der Trainerbank des Fußball-Bundesligisten Fortuna Köln Platz nahm, kannten alle Deutschen. Knapp zehn Jahre zuvor war er Olympiasieger geworden, im Zehnkampf. Wie er sich im abschließenden 1500-Meter-Lauf ins Ziel kämpfte, das war episch. Hinter der Linie brach er zusammen. Willi Holdorf, König der Athleten, ein Held. 1964 wurde er zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt. Er war dann auch einer der ersten Leichtathleten, die eine Zweitkarriere als Anschieber im Bob anhängten. 1973 wurde Holdorf mit Pilot Horst Floth (auch er Olympiasieger) Europameisterschafts-Zweiter. Knapp ein Jahr später landete er in der Bundesliga. Wie das?
Zunächst: Willi Holdorf war nicht gänzlich fachfremd. Er hatte an der Sporthochschule Köln studiert und bei Hennes Weisweiler in einem Kurs mit Udo Lattek, Gyula Lorant und Aki Schmidt den Trainerschein erworben. Er hatte, bevor er mit 18 für die Leichtathletik entdeckt wurde, selbst gekickt und trainierte den hessischen Landesligisten Obererlenbach. Bei Bayer Leverkusen betreute er zudem zwei Stabhochspringer und den besten deutsche Hürdensprinter Günther Nickel. Ein Alleskönner, so schien es.
Jean Löring setzte vor allem auf die Aura des damals 34-jährigen Holdorf. „Er ist sicher in der Lage, Begeisterungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft auf ein Höchstmaß zu steigern“, sagte er. Holdorf kündigte an: „Ich werde alles tun, um den Jungs ihr Selbstvertrauen zurückzugeben und sie seelisch und körperlich in Top-Kondition zu bringen.“ Er bezeichnete sein Engagement als Freundschaftsdienst für Jean Löring, es solle befristet sein bis zum Ende der Saison.