Wer war Robert Koch?
Frankfurter Rundschau
Gefeierter Wissenschaftler, mörderischer Kolonialist
Die Historienserie „Charité“ der ARD hatte vor fünf Jahren mit einer Einschaltquote von 26 Prozent den besten Sendestart der letzten 25 Jahre. Die Crème de la Crème der Schauspielkunst stellte in diesem Fernsehspektakel Titanen der deutschen Medizingeschichte dar: Rudolf Virchow, Emil Behring, Paul Ehrlich, Ernst von Bergmann und Robert Koch.
Die Namen dieser Männer – Frauen wird man in jener Zeit in der Medizin nicht finden – sind bis heute weltbekannt. Einer dieser Namen allerdings toppt seit zwei Jahren alle und alles: Robert Koch. Das verdanken wir dem Coronavirus. Jeden Tag kommen immer neue Corona-Bulletins, Statistiken, Pressekonferenzen und Fernsehauftritte aus dem Robert-Koch-Institut. Das Institut gehört zum Bundesgesundheitsministerium. Gegründet worden war es 1891 in Berlin als „Königlich Preußisches Institut für Infektionskrankheiten“.
Robert Koch kam 1843 als drittes von dreizehn Kindern einer Bergarbeiterfamilie in Clausthal in Niedersachsen zur Welt und gelangte als einer der erfolgreichsten medizinischen Wissenschaftler des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu Weltruhm. Er starb 1910 in Baden-Baden. Es gelang ihm 1876 die Kultivierung des Milzbranderregers, womit er erstmals dessen Rolle bei der Krankheitsentstehung lückenlos darstellen konnte. 1882 entdeckte er den Erreger der Tuberkulose und 1883 das Cholerabakterium.
Selbst ein Skandal im Zusammenhang mit dem von ihm entwickelten, aber schädlichen Tuberkulin tat seinem Ruhm keinen Abbruch, hatte aber gesetzliche Einschränkungen für Versuche an Menschen zur Folge. Kochs Entdeckungen waren grundlegend für die heutige Bakteriologie, Virologie, Immunologie und Hygiene. Weltweite Verehrung spiegelt sich in Denkmälern in Polen, Kroatien, Tansania, Großbritannien und Japan wider. Institute, Mondkrater, Gletscher und ein ICE sind nach ihm benannt, ebenso ungezählte Straßen, Plätze und Schulen. Auf Briefmarken und Gedenktafeln ist er zu finden. Es gibt in Berlin ein Robert-Koch-Museum mit seinem Mausoleum, und eben das Robert-Koch-Institut. Das ist der eine Robert Koch, der strahlende Held am deutschen Wissenschaftsfirmament.
Aber es gibt es noch einen anderen Robert Koch. Der war zwischen 1883 und 1908 mehr als die Hälfte seiner Zeit auf Reisen, in Ägypten und Indien wegen der Cholera, in Südafrika, Indien und Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Burundi, Ruanda und Teile von Mosambik) wegen der Rinderpest, in Java und Neu-Guinea wegen der Malaria, ein zweites Mal in Deutsch-Ostafrika zur Erforschung der Schlafkrankheit.