So viel Talent wie nie
Frankfurter Rundschau
Die 20,02 Sekunden über die 200 Meter von Joshua Hartmann bei den nationalen Titelkämpfen waren kein Zufall. Junge Trainer bringen neue Ansätzen ein – das tut den Sprintern gut.
Lange Jahre hatte der deutsche Männersprint nur ein einziges Eisen im Feuer: Julian Reus. Der gebürtige Hanauer dominierte die 100 und auch die 200 Meter und stellte in dieser Zeit auch den deutschen Rekord von 10,01 Sekunden auf. Der deutsche Männersprint hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt und so viele Talente, wie noch nie. Die 20,02 Sekunden, damit deutscher Rekord, über die 200 Meter von Joshua Hartmann bei den nationalen Titelkämpfen in Kassel waren kein Zufall. Junge Trainer mit neuen Ansätzen sind in den Vereinen und an den Bundesstützpunkten angekommen. Mehr Qualität statt Quantität in den Einheiten tun den Sprintern offenbar gut.
Seit 2018 haben sechs unterschiedliche Athleten den nationalen Titel über die 100 Meter gewonnen: Kevin Kranz, Michael Pohl, Deniz Almas, Marvin Schulte, Owen Ansah und am Samstag Yannick Wolf. Im Jahr 2022 sind sechs Deutsche die 100 Meter in weniger als 10,20 Sekunden gelaufen. Zwei sogar unter 10,10 Sekunden. 2022 waren es fünf unter 10,20 Sekunden – alle 25 Jahre alt oder jünger. Diese Zeiten reichen natürlich nicht für die internationale Spitze in den Einzelwettbewerben, wo Zeiten unter zehn Sekunden absoluter Standard sind. Aber für die Staffel sind die Männer bestens aufgestellt.
Im vergangenen Jahr verbesserten Kevin Kranz, Joshua Hartmann, Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah den nationalen Rekord in der 4x100-Meter-Staffel auf 37,97 Sekunden. Auch bei der Team-EM in Chorzow vor zwei Wochen liefen Julian Wagner, Schulte Hartmann und Schlussläufer Wolf auf Rang 1 in 38,34 Sekunden.
Die Leichathletik-WM in Budapest ist die nächste Gelegenheit, den Männersprint auf das nächste Level zu heben. Bei der Heim-EM in München verpatzte die Staffel direkt den ersten Wechsel und schied aus. Der jungen Truppe fehlte da noch die Coolness und Abgeklärtheit, die die Frauen durch viele gemeinsame Wettkämpfe schon hatten und zu EM-Gold stürmten.
Ein großes Problem der Staffelmänner in den vergangenen Jahren waren wechselnden Konstellationen durch Verletzungen. In diesem Jahr muss Owen Ansah komplett auf die Freiluftsaison verzichten. Mit einem Joshua Hartmann in dieser Form ist den Männern eine Überraschung zuzutrauen. Den Topnationen wie den USA, Jamaika oder Großbritannien ist in der Vergangenheit der Staffelstab öfter mal aus den Händen geflutscht.