Sjewjerodonezk: Was man über die umkämpfte Stadt im Donbass wissen muss
DW
Nach der Hafenstadt Mariupol ist Sjewjerodonezk ein weiteres großes Industriezentrum in der Ostukraine. Außerdem manifestierte sich dort vor 20 Jahren erstmals der prorussische Separatismus im Donbass.
Knapp zwei Wochen, nachdem sich die letzten ukrainischen Soldaten in Mariupol in der Hoffnung auf einen Gefangenenaustausch der russischen Armee ergeben hatten, könnte die Ukraine das zweite große Zentrum des Donbass, die Stadt Sjewjerodonezk, verlieren. Berichten zufolge gibt es bereits Straßenkämpfe und russische Soldaten sollen inzwischen bis in Zentrum der Stadt vorgedrungen sein.
Sjewjerodonezk und das benachbarte Lyssytschansk sind die letzten großen Städte in der Region Luhansk, die noch unter der Kontrolle von Kiew stehen. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs konzentriert Russland sich gerade auf die Eroberung von Sjewjerodonezk. Die ukrainischen Truppen, die die Region verteidigen, laufen währenddessen Gefahr, wie in Mariupol eingeschlossen zu werden.
Sjewjerodonezk hatte vor dem Krieg etwas mehr als 100.000 Einwohner. Die Stadt entstand zu Sowjetzeiten aus einer Ortschaft in der Nähe der Chemiefabrik "Asot", der größten in der Ukraine. Die neue Stadt an der Grenze der Regionen Luhansk, Donezk und Charkiw erhielt ihren Namen in den 1950er Jahren vom Fluss Siwerskyj Donez.
Eigentümer des Chemiewerks "Asot" ist der seit 2014 in Österreich lebende Oligarch und Medienmagnat Dmytro Firtasch, dem wegen Korruptionsverdachts eine Auslieferung an die USA droht. Sein Unternehmen in Sjewjerodonezk produziert vor allem Düngemittel, die größtenteils exportiert werden.
In den vergangenen Jahren hatte das Werk, wie viele andere Fabriken in der Region, aufgrund des Konflikts im Donbass mit Produktionsunterbrechungen zu kämpfen. Neben "Asot" gibt es in Sjewjerodonezk weitere Chemieunternehmen. In der Nachbarstadt Lyssytschansk ist eine Ölraffinerie angesiedelt, die früher russischen Geschäftsleuten gehörte, aber schon lange nicht mehr in Betrieb ist.