Söders Alleingang: Populär, nicht konsistent
ZDF
Bayern setzt die Impfpflicht aus - das Prinzip Söder wird sichtbar: Sind Maßnahmen populär, prescht er vor, sind sie es nicht, soll der Bund ran.
In einem bleibt sich Markus Söder treu: Seine Corona-Politik ist zahlenbasiert. Mal sind es die Corona-Zahlen, mal sind es die Umfrage-Zahlen, die den Ausschlag für den Kurs des CSU-Chefs geben. Vieles spricht dafür, dass die neueste Wendung mehr von Umfragen als von Inzidenzen und Impfquoten getrieben ist.
Mit dem Aussetzen der Impflicht für Pflegekräfte und einer erheblichen Lockerung der Coronamaßnahmen sorgt Bayern für Fakten und Unmut, noch bevor nächste Woche die Corona-Runde von Bund und Ländern tagt. Keine Frage, für beide Schritte gibt es gute Gründe: Inzidenzen und Hospitalisierungsraten entkoppeln sich, von Omikron gehen andere Gefahren aus als von Delta; und den Heimen droht das Personal auszugehen und abzuwandern, wenn die Impfpflicht kommt.
Nur: Das bayerische Vorpreschen will nicht recht passen zu dem Markus Söder, der noch in der dramatischen Herbst-Welle ein einheitliches Vorgehen im Bund anmahnte, als aus bayerischen Kliniken längst scharenweise Patienten in andere Teile Deutschlands geflogen werden mussten.
Hinter dem Agieren des CSU-Chefs steckt ein Prinzip: Sind die Maßnahmen unpopulär, fordert Söder einheitliches Vorgehen und den Bund zum Handeln auf, wie in der massiven Delta-Welle im Herbst. Sind die Maßnahmen opportun und populär, prescht Söder voran, möglichst bevor es einheitlich wird.
"Manchmal muss man auch Dinge entscheiden", lautet heute die Begründung. Er wolle damit einen "Akzent" setzen, sagt Söder. Im Rest Deutschlands würde man es wahrscheinlich "Vorpreschen" oder "Alleingang" nennen, Hauptsache erster. Söder steht unter Druck, sich mit solchen Volten mal wieder neu zu erfinden.
Lange konnte sich Bayerns Ministerpräsident in der Anführerrolle des selbsternannten "Teams Vorsicht" gefallen, eine Mehrheit in der Bevölkerung stützte den Kurs von Lockdowns und rigiden Maßnahmen. Söder profitierte hier vom langen Windschatten Angela Merkels und reifte in ihm fast zum Kanzlerkandidaten.
Heute ist die Corona-Lage komplizierter und die Stimmungs-Lage eine andere. In der Bevölkerung sinkt die Geduld mit den Corona-Maßnahmen, und in den Kliniken ist die Lage trotz hoher Ansteckungszahlen nicht dramatisch. Auf beides versucht Söder zu reagieren.