Rudi Völler kehrt Scherben auf
Frankfurter Rundschau
Nach Rücksprache mit Ligaboss Watzke und DFB-Präsident Neuendorf gibt es Rückendeckung für den angeschlagenen Bundestrainer Hansi Flick
Es ist für Rudi Völler keine Unbekannte, sich in besonderen Drucksituationen vorzeitig von Trainern zu trennen. Als langjähriger Vorgesetzter bei Bayer Leverkusen hat der 63-Jährige gestandene Fußballlehrer wie Gerardo Seoane, Peter Bosz, Heiko Herrlich, Roger Schmidt und Robin Dutt vor die Tür gesetzt. Das ist übliche Praxis in der Bundesliga.
Beim Deutschen Fußball-Bund ist das anders. Dort tut man sich schwer mit den in der Branche ansonsten handelsüblichen Trennungen. Rudi Völler selbst musste 2004 nach dem frühen EM-Aus den Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder geradezu überreden, sein Rücktrittsgesuch anzunehmen. Jürgen Klinsmann ging von sich aus nach dem Sommermärchen 2006. Der DFB hätte den Reformator gerne behalten. Wäre es hingegen nach dem damaligen Präsidenten Fritz Keller gegangen, hätte man sich nach dem 0:6 im November 2020 in Spanien von Joachim Löw getrennt. Aber Keller konnte sich gegen Präsidiumskollegen nicht durchsetzen. Löw durfte bleiben und entschied dann aus eigenen Stücken, seinen ursprünglich bis Dezember 2022 laufenden Vertrag schon im Sommer 2021 aufzukündigen. Es war höchste Zeit.
Im Land gibt es eine Menge Menschen - nach Umfragen die weit absolute Mehrheit -, die finden, es sei auch im Fall des Löw-Nachfolgers Hansi Flick überfällig, sich von seinem Hochamt zu verabschieden. Dessen Vorgesetzter Völler gehört nicht dazu. Das unterstrich der DFB-Sportdirektor in einer sechsminütigen, freihändig vorgetragenen Erklärung am Sonntag im DFB-Campus. Quintessenz: „Natürlich wird Hansi Flick Trainer bleiben.“ Ein Wechsel auf dieser Position stehe „nicht zur Debatte“.
Das, so Völler nach telefonischer Rücksprache mit Ligaboss Hans-Joachim Watzke und persönlicher Unterredung mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf der Rückreise aus Warschau nach Frankfurt, erkläre sich auch aufgrund der völlig unterschiedlichen Konstellation. Anders als im Verein, wo „Ergebnisse und Tabelle Angst machen“ könnten (und vergangene Saison dem vorherigen Erfolgstrainer Seoane den Job kosteten) gäbe es aktuell beim DFB-Team keinen akuten Ergebnisdruck. Sondern erst bei der EM im nächsten Sommer.
Das bevorstehende Spiel am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) in Gelsenkirchen gegen Kolumbien sei gleichwohl „kein Freundschaftsspiel“. Dafür ist die Lage offenbar doch zu ernst. Nicht so ernst aber, dass Hansi Flick selbst für den Fall einer Niederlage Folgen fürchten müsste. Konkret, versicherte Völler, sei über eine Beurlaubung von Flick aus dessen bis 2024 laufenden Vertrag mit Watzke und Neuendorf gar nicht diskutiert worden. Man kann das glauben oder nicht. Sollten die Herren die Thematik tatsächlich ausgeklammert haben, wäre das indes fahrlässig.