Poesie und Feminismus
Süddeutsche Zeitung
Die Biennale von Venedig gibt ihr Programm bekannt. Unter den Teilnehmenden sind viele Künstlerinnen.
Es werde viele Überraschungen geben, versprach Biennale-Kuratorin Cecilia Alemani bei der online übertragenen Vorstellung von Konzept und Künstlerliste der 59. Venedig Biennale am Mittwoch in Venedig. Die traditionsreiche internationale Kunstausstellung, die alle zwei Jahre den Fixpunkt im internationalen Kunstkalender bildet, findet in diesem Jahr vom 23. April bis zum 27. November statt.
"Wir leben in einem außergewöhnlichen historischen Moment" sagte Alemani zu Beginn ihrer Präsentation. Wegen Corona musste die Biennale um ein Jahr verschoben werden. So eine Unterbrechung im Rhythmus habe es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Der Titel für die Hauptausstellung, "The Milk of Dreams", ist von einem Buch über fantastische Wesen der englischen Surrealistin Leonora Carrington (1917-2011) entliehen. Die Malerin, Bildhauerin und Schriftstellerin emigrierte während des Zweiten Weltkriegs von Europa nach Mexiko, wo sie auch bis zu ihrem Lebensende blieb.
Zur Hauptausstellung wurden in diesem Jahr 213 Künstlerinnen und Künstler aus 58 Ländern eingeladen. Aus diesem Teilnehmerkreis nehmen wiederum 180 Künstlerinnen und Künstler zum ersten Mal an der Biennale teil. 80 künstlerische Projekte wurden eigens für die Biennale konzipiert. Poesie, Technik, Ökologie und Feminismus erscheinen als die untergründigen Leitthemen der diesjährigen Hauptausstellung, die auf diese Weise zum Katalysator für diese ohnehin schon länger aktuellen Diskurse funktionieren wird. So überwiegen etwa die Künstlerinnen auf der veröffentlichten Liste. Darunter finden sich einerseits viele Positionen, die längst zum Kanon der internationalen Gegenwartskunst gehören, wie beispielsweise Nan Goldin, Barbara Kruger oder Rosemarie Trockel.
Zu entdecken werden aber auch etliche jüngere Positionen sein, wie etwa die Installationskünstlerin Sandra Mujinga, die gerade erst den Berliner Preis der Nationalgalerie gewann, die Malerin Jana Euler, die in Frankfurt und in Brüssel lebt, oder die in Shanghai geborene Lu Yang, die seit ein paar Jahren mit radikalen Videoinstallationen Furore macht. Geschichtsbewusstsein wird zudem mit der Einbeziehung vieler historischer Positionen demonstriert, wie etwa Josephine Baker (1906-1975), Sonia Delaunay (1885-1979), Maya Deren (1917-1961) oder Hannah Höch (1889-1978).
Alemani benannte drei miteinander verwobene Grundthemen, die sich durch die Hauptausstellung ziehen werden. Es soll um die Repräsentation von Körpern und ihre Verwandlungen gehen, das Beziehungsgeflecht zwischen Individuum und Technik sowie die Verbindung zwischen Körper und Erde. Ökologisch will die Biennale in diesem Jahr nicht nur inhaltlich sein, sondern auch ganz praktisch: die Veranstaltung strebe "Kohlenstoffneutralität" an. Wie das wohl in der Wirklichkeit aussehen wird? Pandemiebedingt verzichtete Alemani zumindest auf das Reisen im Vorfeld der Biennale. Ihre Recherchen habe sie hauptsächlich mithilfe von Zoom von ihrem New Yorker Arbeitszimmer aus erledigen müssen. Doch diese Arbeitsweise habe nicht nur Nachteile, sondern auch eine ungewöhnliche Intimität in den stundenlangen Online-Konversationen mit sich gebracht. Wie sich diese telematische Nähe in der Ausstellung niedergeschlagen hat, wird sich Ende April zeigen, wenn die Weltausstellung in Venedig ihre Tore öffnet.