Neuer Bundesbank-Chef Joachim Nagel: Ein guter Zeitpunkt
Frankfurter Rundschau
Die Erwartungen an Joachim Nagel, den neuen Präsidenten der Bundesbank, sind hoch. Er hat einen großen Vorteil im Gegensatz zu seinem Vorgänger. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Es gibt in Deutschland wohl kaum eine prestigeträchtigere Position als die des Bundesbankpräsidenten. Unabhängig, unangefochten und seit der Einführung des Euros auch immer häufiger unverstanden. Es ist allerdings auch eine Position, deren Prestige mittlerweile größer ist als ihr tatsächlicher Einfluss.
Joachim Nagel wird Nachfolger von Jens Weidmann. Wenn eine Entscheidung von allen Seiten nur Lob erntet, muss es eine gute Entscheidung sein. Aber bevor Joachim Nagel seinen ersten Arbeitstag hat, wird er in Deutschland schon wieder überhäuft mit Wünschen und Hoffnungen. Nagel soll dafür sorgen, dass die Inflation endlich wieder sinkt. Er soll erreichen, was Jens Weidmann nicht gelungen ist. Dabei weiß eigentlich niemand, für welche geldpolitische Linie Joachim Nagel steht. Man kann nur vermuten, dass er die traditionelle Bundesbanklinie der eher orthodoxen Geldpolitik fortsetzen wird. Obwohl lockere und strengere Geldpolitik der letzten Jahre sich im Grunde ja nur unterschieden haben in der Auffassung, ob die zu niedrige Inflation aus sich selbst wieder steigen kann oder nur mit Hilfe von geldpolitischen Maßnahmen.
Bei allen Hoffnungen und Wünschen, die in Joachim Nagel gesetzt werden, wird häufig vergessen, dass die Bundesbank nicht mehr das Epizentrum der Europäischen Geldpolitik ist. Natürlich hat die Stimme des Bundesbankpräsidenten mehr Gewicht als die des Notenbankpräsidenten aus Zypern, aber auch eine gewichtige Stimme kann sich immer wieder ins Seitenaus spielen.