Nach Wagner-Aufstand: Experte sicher – Das kann auch China blühen
Frankfurter Rundschau
Droht auch China eine „Spaltung der militärischen Macht“? Peking müsse jedenfalls vom Wagner-Aufstand lernen, sagt ein chinesischer Wissenschaftler – mit Blick auf Taiwan.
München/Peking – Der Aufstand der Wagner-Gruppe in Russland war Chinas Hauptnachrichten am Sonntagabend nur mehr eine kurze Meldung wert, 58 Sekunden, versteckt am Ende der rund halbstündigen Sendung. Die Söldner von Jewgeni Prigoschin seien in ihre Kasernen zurückgekehrt, der Chef der Wagner-Gruppe begebe sich nach Weißrussland, verkündete eine Sprecherin. Zuvor sah man Staats- und Parteichef Xi Jinping auf Besuch bei chinesischen Bauern und Premierminister Li Qiang, der in Peking die Präsidentin von Barbados begrüßte – das übliche Propagandaprogramm der angeblich meistgesehenen Nachrichtensendung der Welt.
Auch Chinas Außenministerium gab sich wortkarg. „Dies ist eine innere Angelegenheit Russlands“, hieß es am Sonntag in einer Stellungnahme. „Als freundlicher Nachbar und umfassender strategischer Kooperationspartner in der neuen Ära unterstützt China Russland bei der Wahrung der nationalen Stabilität und der Erreichung von Entwicklung und Wohlstand.“ Zwei Sätze nur für ein Ereignis, das Russland für immer verändern könnte.
Ebenfalls am Sonntag traf in Peking Chinas Außenminister Qin Gang mit Russlands Vizeaußenminister Andrej Rudenko zusammen. Auch nach diesem Treffen knauserte das chinesische Außenamt mit Informationen. Qin und Rudenko hätten „einen Meinungsaustausch über die chinesisch-russischen Beziehungen und internationale und regionale Fragen von gemeinsamem Interesse“ geführt, hieß es nach der Begegnung aus dem Außenministerium in Peking. Vom Wagner-Aufstand kein Wort. Die russische Seite erklärte nach der Begegnung der beiden Außenpolitiker, Peking habe „seine Unterstützung für die Maßnahmen der russischen Führung zur Stabilisierung der Lage im Lande im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 24. Juni zum Ausdruck gebracht“, wie die Nachrichtenagentur TASS schrieb.
In Russland scheint man nach dem Aufstand möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen zu wollen: Amnestie für die meuternden Söldner, und sogar Prigoschin selbst kommt offenbar ungestraft davon. Auch in Peking will man die Wagner-Revolte möglichst schnell vergessen. Soldaten, die sich gegen die eigene Regierung erheben, das ist auch für Chinas Führung eine Horrorvorstellung. Oder, wie es ein anonymer chinesischer Wissenschaftler in der South China Morning Post nannte: ein „Extremszenario“.
„Ein Scheitern an der Front einer größeren Militäraktion, etwa zur Vereinigung Taiwans mit dem Festland, könnte das Entstehen inoffizieller militanter Gruppen begünstigen – ein Risiko, auf das sich die chinesische Führung vorbereiten muss“, sagte der Wissenschaftler der in Hongkong verlegten Zeitung. „Zwar gibt es jetzt keine Söldner mehr auf dem chinesischen Festland, und die Partei hat eine einheitliche Führung über das Militär, aber ein ‚Extremszenario‘, das die Führer in Betracht ziehen müssen, ist die Frage, ob das Scheitern einer groß angelegten Militäraktion an der Front zu einer Spaltung der militanten Macht führen könnte.“