Machtmissbrauch von Reichelt: Axel Springer-Vorstand Döpfner sieht Satiriker-Verschwörung
Frankfurter Rundschau
Die Axel-Springer-Führung soll mehr über Julian Reichelts Machtmissbrauch gewusst haben, als bekannt ist. Döpfner soll gar eine „Verschwörung“ gewittert haben.
Frankfurt – Ist Julian Reichelt Opfer einer Anti-Springer-Verschwörung? Davon soll zumindest der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner ausgegangen sein, wie eine Recherche der britischen Financial Times nahelegt. Reichelt war am 18. Oktober entlassen worden, wobei sich der Axel-Springer-Konzern seinerzeit auf „neue Erkenntnisse“ im Compliance-Verfahren berief. Demnach habe Reichelt über eine anhaltende Beziehung zu einer Bild-Mitarbeiterin die Unwahrheit gesagt, hatte Springer zur Causa erklärt.
Wie die Financial Times nun berichtet, sollen die Vorwürfe gegen Julian Reichelt bereits vor den Untersuchungen der Anwaltskanzlei Freshfields teilweise bekannt gewesen. Leitende Angestellte sollen Reichelt geraten haben, alles zu leugnen. Gemäß Selbstauskunft hat die FT mit mehr als 30 Personen gesprochen und Interviews mit ehemaligen Bild-Mitarbeitenden geführt, von denen einige sexuelle Beziehungen zu Reichelt gehabt haben sollen, andere hingegen als Whistleblower:innen fungierten.
„Julians Verhalten gegenüber jungen Frauen war intern ein offenes Geheimnis“, wird ein ehemaliger Bild-Chefredakteur zitiert, der einer Freundin davon abgeraten haben will, ihre Tochter ein Praktikum bei der Bild machen zu lassen – junge, attraktive Frauen würden dort als „Freiwild“ angesehen. Davon will Springer gegenüber FT nichts wissen: „Vielleicht war es ein offenes Geheimnis in der Redaktion, aber die Vorstandsmitglieder hatten sicherlich keine Ahnung.“ Hingegen sollen die Ermittler:innen von Freshfields zum Schluss gekommen sein, dass „schwerwiegendes Fehlverhalten der Geschäftsführung“ vorgelegen habe. Reichelt selbst spricht gegenüber FT von „Lügen“, die von einer Ex-Freundin in Umlauf gebebracht worden seien.
FT will jedoch Beweise geprüft haben, wonach Julian Reichelt während der laufenden Ermittlungen über die eigentlich streng geheimen Entwicklungen informiert worden sei. Diese hätten es ihm ermöglicht, viele der Zeug:innen zu identifizieren, die ihn hätten belasten können. Besonders brisant: Mathias Döpfner soll nach Abschluss der Freshfields-Untersuchung eine Gegenuntersuchung eingeleitet haben, um eine „Verschwörung“ aufzudecken.
„Es ist eine blinde Hass-Agenda“, wird Döpfner in der FT zitiert, wobei ein externer Anwalt eine Liste von Personen habe erstellen sollen, gegen die man habe ermitteln wollen. „Wenn es weitere Berichterstattung gibt, ... dann sollten wir sie [die Urheber der angeblichen Verschwörung] verfolgen. Wir sind nicht die Bösewichte ... Wir sind die letzten Bastionen der Unabhängigkeit und der Regierungskritik und werden deshalb von der linken Blase bestraft, die ihre Ansichten mit großer Intoleranz verfolgt“, soll Döpfner geäußert haben.