Eine Ikone der Linken – und ihre Widersprüche
Die Welt
Mikis Theodorakis war eine der großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts – widersprüchlich und kämpferisch, am Ende antisemitisch und nationalistisch. Deniz Yücel erinnert an den Musiker als politische Figur.
Im September 1973 wird das Estadio Chile in Santiago zum Schauplatz des Grauens. Nach dem von General Augusto Pinochet angeführten und von den USA unterstützen Militärputsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende werden zehntausende Anhänger von dessen Unidad Popular in öffentlichen Gebäuden und in Stadien inhaftiert und gefoltert. Unter den Gefangenen im Estadio Chile ist der Sänger, Dichter und Theaterregisseur Victor Jara, der hier sein letztes Gedicht „Wir sind fünftausend“ verfasst: „Wie schwer ist das Singen, / wenn ich den Schrecken singen muss. / Den Schrecken, den ich lebe, / den Schrecken, den ich sterbe.“ Bald darauf wird Jara von einem Offizier erkannt. Die Soldaten schlagen ihn zusammen und brechen ihm die Hände, damit er nie wieder Gitarre spielen kann. Und sie verhöhnen ihn: Wenn er Sänger sei, möge er singen. Jara stimmt „Venceremos“ („Wir werden siegen“), die Hymne der Unidad Popular, an und wird mit 44 Schüssen aus einem Maschinengewehr ermordet. Ein Jahr später, am 10. Oktober 1974, wird ein anderes Stadion zum Schauplatz eines ebenso denkwürdigen, wenngleich freudigen Ereignisses: Im Georgios-Karaiskakis-Stadion am Stadtrand von Athen gibt der Komponist, Musiker und Schriftsteller Mikis Theodorakis sein erstes Konzert in seinem Heimatland nach dem Ende der Militärdiktatur.More Related News