Ein Jahr erster Militärrabbiner
DW
Zsolt Balla ist seit einem Jahr der erste Militärbundesrabbiner in der deutschen Geschichte. Er kümmert sich um ethische Unterweisung und koschere Verpflegung. Aber vor allem will er Seelsorger sein.
"Bis ich neun Jahre alt war, hatte ich keine Ahnung, dass ich jüdisch bin", erzählt Zsolt Balla. Heute ist der 43-Jährige schon seit 13 Jahren orthodoxer Rabbiner. Seit einem Jahr baut der gebürtige Ungar, der 2002 nach Deutschland kam, als erster Militärbundesrabbiner die jüdische Seelsorge bei der Bundeswehr auf.
"Zusammenzugehen, zusammen eine Zukunft aufzubauen - das ist die Aufgabe der jüdischen Militärseelsorge", sagt Balla. Dabei habe das Judentum "sehr viel zu geben". Das gelte "nicht nur für jüdische Soldaten, sondern für jeden Soldaten". Die Seelsorger sollten für jeden Angehörigen der Bundeswehr da sein, der ein Gespräch wünsche. Mit dieser Grundhaltung steht er für das neue jüdische Leben in Deutschland. Er ist einer der beiden ersten in Deutschland ausgebildeten orthodoxen Rabbiner nach 1938, die im Land ordiniert wurden.
Dabei ist die Zahl der Bundeswehr-Angehörigen jüdischen Glaubens nicht bekannt. Seit langem spricht das Verteidigungsministerium offiziell von rund 300 jüdischen Soldaten. Lange vor der Amtseinführung des ersten Militärrabbiners zweifelte die Zeitung "die tageszeitung" diese Zahl durchaus begründet an. Denn niemand kann die Zahl der Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland halbwegs genau beziffern. Das eine ist die Zahl derer, die offiziell Mitglieder einer jüdischen Gemeinde sind. Das andere sind jene, die in ihrer Familie vielleicht keine oder kaum mehr bekannte religiösen Bindungen erlebt haben oder die sich keiner Gemeinde anschließen.
Dazu passt Ballas eigener Weg. Als Kind in Ungarn las Balla gern die Bibel, aber die "extended version", wie er bei einem Besuch der Bundeswehr-Universität Ende Mai sagte, die christliche Bibel mit Altem und Neuem Testament. Sie sei sein Lieblingsbuch gewesen. Als er mit neun Jahren seiner Mutter verkündete, er wolle zur religiösen Unterweisung in die christliche Bibelschule gehen, begann diese mit dem Sohn das Gespräch und berichtete von der jüdischen Geschichte der Familie. Einer jüdischen Familie ohne gelebte religiöse Tradition.
Vor 20 Jahren, am 20. Juni 2002, kam Balla als studierter Ingenieurwissenschaftler nach Deutschland, "eigentlich nur für ein Wochenende" in einer jüdischen Einrichtung. Er habe bis dahin ein "absolut stereotypes Bild" von jüdischem Leben in Deutschland gehabt, sagt er. "Und plötzlich traf ich junge Menschen, gut ausgebildet. Und in ihrer Freizeit engagierten sie sich in jüdischem Lernen."