Die Formel 1 fährt mit Rückenschmerzen nach Kanada
DW
Ernsthaftes Gesundheitsproblem oder taktisches Manöver? Weil Formel-1-Fahrer über extreme Rückenschmerzen klagen, ist vor dem Großen Preis von Kanada eine Debatte um Regeländerungen entbrannt.
Über alte Männer und ihre Sportwagen werden schon lange bissige Witze gerissen. Dass der Zusammenhang zwischen hartem Fahrwerk und heftigen Rückenschmerzen nun auch in der Formel 1 das beherrschende Thema ist, kommt dann doch überraschend. Vor dem neunten Rennen der Saison in Montreal wird offen über mögliche Regeländerungen debattiert. "Wir haben die FIA gebeten, sich das anzusehen und nicht auf die Teams zu hören, sondern auf uns", erklärte Ferrari-Pilot Carlos Sainz, "wir sagen, dass wir alle Probleme haben, damit umzugehen." Auch in Kanada wird das Phänomen zu beobachten sein. Der Asphalt ist zwar besser als auf dem Stadtkurs in Baku, jedoch verstärkt die Streckencharakteristik mit viel Speed und langen Geraden die Probleme - ein Vorteil für Red Bull. Das Team mit dem WM-Führenden Max Verstappen kam bisher am besten zurecht und geht als Favorit in den Großen Preis von Kanada.
Andere Teams kämpfen schon die ganze Saison über mit dem Hoppeln der Rennwagen. Durch die Aerodynamik am Unterboden werden die Autos auf die Straße gepresst. In Kombination mit einer extrem harten Fahrwerkseinstellung setzt das Auto bei hoher Geschwindigkeit immer wieder kurz auf. Diese Schläge bekommen die Fahrer ab. Vor allem Mercedes ist davon betroffen, bisheriger Negativ-Höhepunkt war das Rennen in Baku. "Es sieht schlimm aus und fühlt sich 100 Mal schlimmer an", sagt Lewis Hamilton noch Tage später über die Szene aus Aserbaidschan. Wie ein alter Mann quälte sich der siebenfache Weltmeister aus seinem Silberpfeil. Schon während des Rennens hatte er über starke Rückenschmerzen geklagt.
Viel Mitleid vom Konkurrenten Red Bull bekommt Hamilton dafür nicht. "Das ist Teil des Spiels", erklärte Teamchef Christian Horner und schickte Spitzen in Richtung der Rivalen Mercedes und Ferrari, "Jedes Team hat selbst die Wahl, wie es damit umgeht. Aber der leichteste Weg ist, zu jammern und sich zu beschweren." Red Bull hatte zuletzt seine Vorteile in Sachen Handling und Geschwindigkeit ausgespielt. Fünf Rennen in Folge stand ein Red Bull-Pilot ganz oben auf dem Treppchen. WM-Titelverteidiger Max Verstappen führt die Fahrerwertung vor seinem Teamkollegen Sergio Perez komfortabel an. Mit einer möglichen Regeländerung droht Red Bull seinen technischen Vorsprung zu verlieren - dementsprechend skeptisch sieht man die Diskussion. Horner sagte aber auch: Bei "ernsthaften Sicherheitsbedenken" quer durch alle Teams müsse man sich die Sache "genau anschauen".
Bei Ferrari läuft derweil ein Rennen gegen die Zeit: In Baku waren gleich beide roten Renner wegen technischer Probleme ausgefallen, der nächste Rückschlag nach dem Taktik-Debakel in Monaco. In den wenigen Tagen bis Montreal wollen die Italiener den Fehler finden und beheben. Charles Leclerc hat den Titeltraum noch nicht aus den Augen verloren. Er will weiter angreifen: "Ich werde niemals aufgeben, das war schon immer meine Mentalität", sagte der Monegasse in einem Zeitungsinterview.
Nach dem hoffnungsvollen Saisonstart hat er mittlerweile 34 Zähler Rückstand auf Verstappen. Und das, obwohl sein Ferrari zu den schnellsten Autos im Feld gehört. Viermal war Leclerc zuletzt auf die Pole-Position gefahren, in Kanada hat er die nächste Trainingsbestzeit im Visier. Kanada wird zeigen, ob der Ferrari auch über die gesamte Renndistanz durchhalten kann.