Der FC Schalke 04 fackelt sich selbst ab
n-tv
Der Start zur Mission Wiederaufstieg misslingt, Spieler Timo Baumgartl gibt ein kritisches Interview - wenige Tage später fliegt Trainer Thomas Reis. Der FC Schalke 04 schmeißt seinen großen, vielleicht seinen größten Hoffnungsträger raus. Die Gründe aber liegen tiefer.
In Gelsenkirchen, in der Stadt der 1000 Feuer, brennt es lichterloh. Im Stadtteil Erle, wo der einst so große FC Schalke 04 seine sportliche Heimat gefunden hat, fackelt sich der Traditionsklub wieder einmal selbst ab. Trainer Thomas Reis muss gehen, vier Tage nach einer bitteren 1:3-Pleite beim FC St. Pauli und vier Tage nach einem bemerkenswerten Interview des Spielers Timo Baumgartl, der am Tag darauf für seine Ehrlichkeit vorübergehend in die U23 verbannt worden war. Spätestens da war klar, dass es für den Hoffnungsträger an der Seitenlinie eng werden könnte. Dass er aber noch vor dem nächsten Spiel fliegt, das kam doch überraschend.
Die Niederlage am Millerntor, die mit ein wenig mehr Glück auch zu einem Unentschieden hätte führen können, hätte der Trainer mutmaßlich vorerst noch überlebt. Nicht aber die Aussagen seines Abwehrspielers, die der Verein wegen Verstößen gegen interne Verhaltensregeln sanktionierte. Nach den Entwicklungen der Tage bis zum heutigen Mittwoch muss dieses Interview als Hilferuf verstanden werden, nicht als Wutausbruch eines frustrierten Spielers. Offensichtlich hatte Reis relevante Teile der Mannschaft verloren, hatte seine taktische Überzeugung nicht an die Gegebenheiten des nach dem Abstieg umgebauten Kaders angepasst. Und war offenbar auch nicht bereit, dies nach dem verkorksten Saisonstart - Relegations- statt Aufstiegsplatz - zu tun.
Es ist das krachende Ende einer Beziehung, die mit flammender Liebe begonnen hatte. Verliebt hatten sich die Bosse des Klubs in den Trainer, als der noch beim VfL Bochum beschäftigt war. Als er den kleinen Rivalen von der Castroper Straße zu zwei Wundern gecoacht hatte: zum Aufstieg und zum Klassenerhalt. In Bochum waren sie bereit für eine ganz große Geschichte. Der SC Freiburg und Christian Streich galten als Vorbild. Doch dann funkten die Königsblauen dazwischen. Nach einem Fehlstart mit dem VfL und Medienberichten, die Reis als Mann der Unwahrheiten hinstellten (was die Kontakte zu Schalke anging), musste er "anne Castroper" gehen und tat das auf dem schnellsten Weg nach Gelsenkirchen.