Der Ärger in der EU über Orban nimmt zu
n-tv
In vielen Grundüberzeugungen ähnelt Ungarns Staatschef seinem Amtskollegen Putin. Historiker nennen Orbans Regierungsstil "made in Russia". Das könnte sein seltsames Eintreten für den russisch-orthodoxen Patriarchen erklären. Das Manöver dürfte allerdings Folgen haben.
Die EU muss wegen des Widerstands aus Ungarn vorerst auf Sanktionen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kirill verzichten. Das sechste EU-Sanktionspaket, in dem auch ein weitgehendes Öl-Embargo enthalten ist, wurde von Vertretern der 27 EU-Staaten ohne die eigentlich geplante Strafmaßnahme gegen Kirill gebilligt. Weil eine einstimmige Entscheidung notwendig war, konnten sich die anderen 26 Länder nicht gegen Ungarn durchsetzen.
Kirill sollte eigentlich wegen seiner Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Sanktionsliste der EU. Er pflegt engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin und zeigte sich bislang sehr kremltreu. In den vergangenen Wochen sprach sich Kirill wiederholt für den russischen Feldzug in der Ukraine aus und forderte seine Anhängerschaft auf, sich geschlossen hinter Moskaus Kampf gegen "äußere und innere Feinde" zu stellen. Im Februar sprach er von einem Kampf gegen die "Mächte des Bösen", die sich der historischen Einheit von Russland und Ukraine widersetzten. Seine Kommentare haben ihm sogar eine Zurechtweisung von Papst Franziskus eingebracht, der Kirill in einer Videokonferenz im März sagte, dass religiöse Führer "nicht die Sprache der Politik, sondern die Sprache Jesu verwenden müssen". Später verkündete der Papst, ein für Juni in Jerusalem geplantes Treffen beider Männer sei gestrichen worden.
Regierungschef Viktor Orban hatte seinen Einsatz für den Kriegs-predigenden Kirill zuletzt "mit der Frage der Glaubensfreiheit ungarischer Religionsgemeinschaften" begründet. Diese sei "heilig und unveräußerlich". Beobachter in Budapest sehen Orbans Einsatz für den Moskauer Patriarchen hingegen vor allem durch ideologische Gemeinsamkeiten begründet. "Fast alles, was Orban auf dem Gebiet der Machtausübung in Ungarn getan hat, trägt den Stempel 'Made in Russia'", meint der Budapester Historiker Krisztian Ungvary. Wie Putin habe Orban die Universitätsautonomie abgeschafft, einen Feldzug gegen die Rechte von Schwulen und Transsexuellen gestartet, unabhängige Medien beseitigt und kritische Zivilorganisationen unter Druck gesetzt.