Das Erbe des Trump-Bändigers
Süddeutsche Zeitung
Wer folgt auf Jens Stoltenberg als Nato-Generalsekretär? Warum vieles für eine Frau spricht, und vieles für eine Südeuropäerin.
Jens Stoltenberg hat sich verdient gemacht um die Nato. Dieses Urteil kann man schon wagen, bevor der Norweger Ende September sein Amt als Generalsekretär abgibt. Man muss nur an den 3. Dezember 2019 zurückdenken, den Tag, als die Staats- und Regierungschefs der Nato im 70. Jahr nach ihrer Gründung zum Gipfel zusammenkamen. "Er leistet einen großartigen Job, ich bin ein großer Fan von ihm", sagte niemand anderer als Donald Trump. Es klang unglaublich.
Drei Jahre zuvor, nach seiner Wahl, hatte Trump die Nato noch als obsolet bezeichnet und damit gedroht, aus dem Bündnis auszusteigen. "Jetzt ist sie nicht mehr obsolet", sagte Trump nun. Der Sinneswandel war wesentlich dem Generalsekretär zu verdanken. Stoltenberg hatte auf einer US-Reise sowohl Trump selbst und auch Trump ergebenen Medien erklärt: Es sei dem US-Präsidenten zu verdanken, dass die Europäer nun endlich mehr Geld für die Verteidigung ausgeben. So funktioniert Diplomatie.
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Nicht zuletzt seinem Verhältnis zu Donald Trump hat er es zu verdanken, dass Jens Stoltenberg überhaupt noch im Amt ist. Im Jahr 2014 erstmals gewählt, hat man ihn zweimal gebeten zu verlängern, weil er den erratischen US-Präsidenten unter Kontrolle halten konnte. Mit stoischer Ruhe hat er im Übrigen auch ertragen, dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Nato als "hirntot" bezeichnete. Hirntot, so würde das Bündnis heutzutage niemand mehr nennen.
Die Nato ist sehr lebendig, und das ist nicht nur Stoltenberg zu verdanken, sondern, zynisch gesprochen, auch das Werk des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Insofern liegt es zumindest als kleiner Schatten auf der Bilanz von Generalsekretär Stoltenberg, dass er ausgerechnet jetzt, während der Ukraine-Krise, Schlagzeilen macht mit seinem neuen Job als Zentralbank-Chef in Norwegen.