Armut in Deutschland so hoch wie nie
ProSieben
In Deutschland waren 2020 so viele Menschen wie nie zuvor von Armut betroffen. Ohne staatliche Corona-Hilfen läge die Zahl wahrscheinlich deutlich höher.
Als Folge der Corona-Pandemie beklagt der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Armutsquote auf Rekordniveau. "Die Armut in Deutschland erreichte im Pandemiejahr 2020 einen neuen Höchststand", bilanzierte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider am Donnerstag in Berlin. Nach dem "Paritätischen Armutsbericht", der auf Zahlen des Statistischen Bundesamts beruht, lebten im vergangenen Jahr etwa 13,4 Millionen Menschen in Deutschland unter der Armutsgrenze - das entspricht einer Quote von 16,1 Prozent.
Als arm gelten für den Verband Menschen, denen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung steht. Demgegenüber spricht das Statistische Bundesamt im Einklang mit dem EU-Standard ab dieser Schwelle lediglich von Armutsgefährdung.
Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 stieg die Quote nur leicht von 15,9 auf 16,1 Prozent. "Das große Beben in der Armutsstatistik ist trotz Pandemie weitestgehend ausgeblieben", räumte Schneider ein und machte dafür vor allem die staatlichen Corona-Hilfen verantwortlich. Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld hätten sich als "effektive Instrumente der Armutsbekämpfung" erwiesen. Zudem hätten vier Fünftel der Menschen im Jahr 2020 keine Einkommenseinbußen gehabt. "Einkommensverlierer" seien vor allem die Selbstständigen gewesen: Im Vergleich zu 2019 stieg ihre Armutsquote von 9 auf 13 Prozent.
Darüber hinaus diagnostizierte der Paritätische einen wachsenden "Wohlstandsgraben" zwischen Süddeutschland und dem Rest der Republik. Während in Bayern nur 11,6 Prozent in Armut lebten, lag die Quote in Bremen bei 28,4 Prozent. Mit auch nur annähernd gleichen Lebensbedingungen habe das nichts mehr zu tun, sagte Schneider: "Deutschland ist nicht nur sozial, sondern auch regional ein tief gespaltenes Land - und die Gräben werden tiefer."