Ablenkungsmanöver aus Warschau
Süddeutsche Zeitung
Polens Regierung legt einen Streit um einen Tagebau mit Tschechien nieder - und verspricht, eine EU-rechtswidrige Justizreform zurückzunehmen. Versöhnung? Das täuscht.
Auf einmal wirkten Polens Politiker sehr versöhnlich. Am Donnerstag kündigte der polnische Präsident Andrzej Duda an, er werde die sogenannte Disziplinarkammer am Obersten Gericht auflösen, die EU-Recht widerspricht, weil sie die Unabhängigkeit der Richter beschränkt. Gleichzeitig legte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit seinem tschechischen Amtskollegen Petr Fiala in Prag den Streit um den Braunkohletagebau Turów bei. Zeichen der Versöhnung, die der polnischen Regierung zugleich helfen könnten - so schien es -, sehr viel Geld zu sparen und auch zu bekommen. Denn derzeit muss Polen täglich 1,5 Millionen Euro an Strafzahlungen an die EU überweisen. Zudem blockiert die Kommission die Auszahlung von Hilfen aus dem Corona-Aufbaufonds - so lange, bis Polen wieder den Weg der Rechtstaatlichkeit einschlägt. Doch weder mit der Versöhnung noch mit dem Geldsparen ist es bei genauerer Betrachtung allzu weit her.
Sechs Jahre hatte der Streit mit Tschechien gedauert, zuletzt hatte der Europäische Gerichtshof den Betrieb des Tagebaus Turów im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck untersagt, weil er ohne Umweltverträglichkeitsprüfung stattfand. Bei den Anwohnern auf tschechischer Seite trocknet die Erde aus, der Grundwasserspiegel sinkt rapide. Eine halbe Million Euro Strafe täglich muss Polen für jeden Tag des illegalen Betriebs an die EU zahlen - was es nicht tut und auch weiterhin nicht tun will. Auf mittlerweile 68,5 Millionen Euro haben sich die Kosten summiert.
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Durch den nun mit der tschechischen Regierung geschlossenen Vergleich soll dieser Betrag zumindest nicht mehr wachsen. Der Vergleich mit den Tschechen kostet die polnische Regierung weitere 45 Millionen Euro. Sobald diese überwiesen sind, will Tschechien seine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zurückziehen - das sei "eine Sache von Stunden", erklärten die Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen in Prag. Polen darf nun weiter Braunkohle abbauen, muss aber dafür Sorge tragen, dass den Anwohnern nicht noch mehr Grundwasser abgeschöpft wird.
Die tschechische Greenpeace-Sektion nannte das Abkommen "skandalös", die Abmachungen zum Umweltschutz seien völlig unzureichend, ein Laufzeitende des Tagebaus sei nicht vereinbart. Der Betreiber möchte bis 2044 Kohle abbauen. Außerdem könne man einem Staat, der dauernd EU-Regeln bricht, ja wohl kaum vertrauen. Ein Misstrauen, das Premier Morawiecki noch am selben Tag beförderte, indem er erklärte, Polen werde die Strafzahlungen an die EU im Fall Turów weiterhin nicht leisten und juristisch gegen die Entscheidung des EuGH vorgehen.