„Paris ist oft so langweilig“
Die Welt
Der Regisseur Jacques Audiard hat schon die Goldene Palme gewonnen, auch mit beinahe siebzig erfindet er sich mit jedem Film neu. Bei einem Spaziergang spricht er über sein neues Meisterwerk „Wo in Paris die Sonne aufgeht“. Darin erforscht er das Liebesleben der Jugend.
Wenn es eine Menschenmenge geben würde, könnte er glatt drin untergehen, so unauffällig sieht er aus. Aber es gibt keine Menge, bloß ein paar vereinzelte Menschlein auf dem riesigen Vorplatz vor dem Kinokomplex der Marke mk2 neben der Nationalbibliothek im tiefen Südosten der französischen Hauptstadt. Paris sieht hier nicht nach Paris aus, eher nach Karl-Marx-Stadt, wenn man es in die Zukunft gebeamt hätte. Jacques Audiard sieht auch nicht aus wie Jacques Audiard. Der Regisseur von Meisterwerken wie „Ein Prophet“ (2009), „Der Geschmack von Rost und Knochen“ (2012) mit Marion Cotillard oder „Dämonen und Wunder“, mit dem er 2015 die Goldene Palme von Cannes gewann, trägt Hoodie und gelbe Wollmütze. Das Internet ist voll von Bildern mit ihm im Maßanzug mit Weste und Hut. Heute halt in Turnschuhen. Passt auch: Wir wollen nicht auf den roten Teppich, sondern nach Chinatown.
Audiards neuer Film, auf Deutsch mit dem nicht so irre sensationellen Titel „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ bedacht, heißt im Original cooler „Les Olympiades“. Der Name bezieht sich auf die Projects von Paris, die brutalistischen Hochhäuser im Quartier asiatique des 13. Arrondissements, die das Zentrum des größten Chinatowns Europas bilden, mit über 200.000 asiatischstämmigen Bewohnern.